15. Kapitel

6356 Kilometer über dem Nordpol

Grunthe und Saltner ruhten noch in ihren Betten, als bereits im abarischen Feld ein reges Leben herrschte. Die Martier, welche das Raumschiff besteigen sollten, begaben sich in Abteilungen von je vierundzwanzig Personen nach der Außenstation. So viele faßte der Flugwagen, der den Verkehr von der Insel nach dem Abgangspunkt der Raumschiffe vermittelte, nach jenem in der Höhe von 6356 Kilometern über dem Pol schwebenden Ring. Es waren also, um die Reisenden und diejenigen ihrer Freunde, die sie bis an das Schiff begleiten wollten, nach dem Ring zu befördern, drei Flugwagen erforderlich. Der Aufstieg nahm ungefähr eine Stunde in Anspruch, und da sich niemals mehr als ein Wagen im abarischen Feld befinden durfte, so verließ der erste Wagen schon am frühsten Morgen, richtiger noch in der konventionellen Schlafenszeit, denn die Sonne ging ja nicht auf noch unter, die Inselstation. Dies war nach der Tageseinteilung, welche die Martier für den Nordpol der Erde festgesetzt hatten, um 11,6 Uhr, nach mitteleuropäischer Zeit ungefähr um 11 Uhr vormittags, eine Stunde vor dem Aufstehen, wie es sonst auf der Insel üblich war.

Diesmal mußten Grunthe und Saltner freilich etwas früher ihre Ruhe unterbrechen, denn der dritte Flugwagen, der sie nach der Außenstation bringen sollte, verließ die Insel gegen 0,6 Uhr, um eine Stunde vor der Abfahrt des Raumschiffes am Ring zu sein.

Die Martier waren schon fast vollständig in der Abfahrtshalle am abarischen Feld versammelt, als Grunthe und Saltner ankamen. Die meisten der Anwesenden waren ihnen bereits bekannt, und alle begrüßten sie aufs liebenswürdigste. Auch Hil, der Arzt, hatte sich eingefunden. Da die Menschen zum erstenmal eine Fahrt im abarischen Feld machten – wenn man die unfreiwillige in ihrem Luftballon nicht mitrechnen wollte –, so war es ihm von größtem wissenschaftlichem Interesse, ihr Verhalten dabei zu beobachten. Auch konnte man ja nicht wissen, ob nicht vielleicht unter den ungewohnten Bedingungen, denen die Menschen hier ausgesetzt waren, seine Hilfe vonnöten würde. Indessen wußten sich Grunthe und Saltner schon ganz geschickt zu benehmen, als sie die auf Marsschwere gestellte Vorhalle betraten. Zu ihrer Verwunderung sahen sie, daß die Martier die Pelzkragen nicht mehr trugen, in denen sie den Weg über die Insel zurückgelegt hatten, sondern sich in ihrer gewöhnlichen Zimmertoilette befanden.

Hil forderte sie auf, ebenfalls ihre Mäntel abzulegen, da sie nun bis zu ihrer Rückkehr nicht mehr ins Freie kämen. Wagen und Ringstation seien selbstverständlich künstlich erwärmt.

Vergeblich sah sich Saltner nach La und Se um. Schon ertönte das Signal zum Einsteigen, als La eilig hereinkam und die Anwesenden begrüßte. Ihre Blicke flogen alsbald zu Saltner, der sich ihr noch schnell näherte und ihr die Hand reichen wollte. Sie aber legte beide Hände auf seine Schultern und sah ihm zärtlich in die Augen. Die Begrüßung überraschte ihn, er mußte sich einen Augenblick sammeln, denn er wußte, daß diese Form des Willkomms nur unter ganz nahestehenden Freunden oder Liebenden üblich war und ungefähr die Bedeutung eines Kusses unter den Menschen besaß. Aber ihre Blicke gaben ihm schnell den Mut, sie zu erwidern, und zu seiner großen Freude glückte es ihm, ihre Schultern mit seinen Händen zu berühren, ohne zu hoch in die Luft zu greifen, und sie auch wieder zu entfernen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Nur das rosig schimmernde Haar streiften seine Finger, und er fühlte diese Berührung wie ein leises Überspringen elektrischer Funken.

Schon bestiegen die übrigen den Flugwagen. Hil geleitete Grunthe hinein. La faßte Saltner an der Hand, um ihn beim Hinaufsteigen der ungewohnten Stufen ins Innere des Wagens zu unterstützen. Ehe er dieselben betrat, blickte er noch einmal zurück, um nach Se zu schauen, ob sie nicht käme.

»Heute nicht«, sagte La, seinen Gedanken erratend, »morgen sehen Sie sie wieder. Heute müssen Sie mit mir vorliebnehmen.«

Es war keine Zeit zu Erklärungen. Der Wagen wurde geschlossen. Dies geschah, indem der außenstehende Beamte die Falltür hob, durch welche die Reisenden in das Innere des Wagens gestiegen waren. Der Boden bildete jetzt die ebene, mit weichen Teppichen belegte Fläche eines geräumigen Zimmers. Die Decke war gleichfalls eben, während der ganze Wagen äußerlich die Gestalt einer vollkommenen Kugel besaß. In den beiden Segmenten, welche durch Boden und Decke gebildet waren, befand sich je ein Wagenführer, die beide durch Signale mit der untern wie mit der oberen Station verkehrten.

Nirgends zeigte sich ein Fenster, von der Außenwelt war nichts zu sehen. Eine Anzahl von Kugeln, welche an unsichtbaren Lisfäden von der Decke herabhingen, verbreitete ein angenehmes Licht. Die Deutschen sahen hier zum erstenmal die künstliche Beleuchtung der Martier durch fluoreszierende Lampen, die nur aus absolut luftleer gemachten, durchscheinenden Kugeln bestanden und infolge der schnellen Wechselströme leuchteten, welche von dem mittleren Teil der Wagenwand ausgingen. In diesem befand sich auch der Heizapparat. Das Zimmer hatte im Grundriß die Gestalt eines Quadrats, so daß zwischen seinen Wänden und der Kugel noch Raum für einige kleinere Gelasse blieb. Die Ausstattung war die bei den Martiern übliche mit einem festen Tisch in der Mitte, der zugleich als Büffet diente. Nur dadurch unterschied sie sich von der eines gewöhnlichen Gesellschaftszimmers, daß sich ringsum an den Wänden auffallende Gestelle hinzogen, deren Zweck Grunthe nicht zu erraten vermochte. Er war geneigt, sie für Turngeräte zu halten, und etwas Ähnliches waren sie auch. Eigentümlich waren ferner die Stühle, sämtlich mit Seitenlehnen und Leisten an den Füßen versehen. Diese Stühle konnte man zwar, infolge einer besonderen Mechanik, nach Verlangen hin- und herschieben, nicht aber vom Boden aufheben.

Kaum war der Wagen verschlossen, als ein zweites Signal ertönte. Schnell suchte sich jeder der Martier eines der Gestelle am Rand des Zimmers und begab sich in dasselbe. Grunthe und Saltner wurden angewiesen, wie sie sich dabei zu benehmen hätten. Sie steckten die Füße in schuhartige Vorsprünge am Boden, so daß sie nicht ausgleiten konnten, stemmten sich mit den Armen fest an den zur Seite befindlichen Griffen und lehnten sich mit dem Rücken an die gepolsterte Wand, während der Kopf zwischen weichen Kissen wie in einer Grube ruhte.

»Nun bin ich nur neugierig, was das soll«, sagte Saltner. »Hoffentlich brauchen wir nicht zwei Stunden lang hier als Mumien zu stehen.«

»Es dauert nicht lange«, sagte einer der Martier.

»Halten Sie sich ganz fest«, fügte La hinzu, »von dem Augenblick, in welchem die tiefe Glocke erklingt und das Licht sich verdunkelt, bis es wieder hell wird, und rühren Sie sich ja nicht.«

»Ich folge blindlings –«

»Warum –« Grunthe wollte etwas fragen. Da erscholl das Signal. Das Licht wurde so schwach, daß man eben nur noch die Stellen sah, wo die Lampen hingen.

Es erfolgte ein dumpfer Knall. Die Insassen der Kugel erlitten eine leichte Erschütterung und fühlten sich kräftig gegen den Boden gedrückt. Unter die Kugel war nämlich ein Behälter mit stark komprimierter Luft gebracht worden, durch deren Entspannung der Flugwagen mit einer Geschwindigkeit von 30 Metern pro Sekunde in dem abarischen Feld aufwärtsgeschleudert wurde. Gleichzeitig wurde die Schwere im Feld vollständig kompensiert. Während bisher die Schwerkraft innerhalb der Kugel, der Gewohnheit der Martier entsprechend, immer noch ein Drittel der Erdschwere betragen hatte, war sie jetzt gänzlich aufgehoben.

Das Gefühl, welches die Menschen ergriff, war nicht unangenehm und keineswegs stark, ähnlich wie in einem Bad, nur daß die Berührungsempfindung des Wassers fehlte. Man gewöhnte sich schnell daran und gewahrte nur einen schwachen Blutandrang nach dem Kopf.

Die Lampen wurden wieder hell, und ein Teil der Martier kam vorsichtig aus den Gestellen hervor. Sie machten sich das Vergnügen, in dem absolut schwerelosen Raum durch einen leichten Stoß gegen den Boden bis zur Decke in die Höhe zu schwingen und sich von dort wieder abzustoßen oder eine Zeitlang ohne jede Unterstützung völlig frei in der Luft zu schweben.

Saltner hätte dies gern auch einmal probiert, aber La riet ihm dringend, sein Gestell noch nicht zu verlassen, da es längerer Übung bedürfe, ehe man sich in dem schwerelosen Raum geschickt bewegen könne. Dagegen forderte sie zwei Damen, welche die Fahrt mitmachten, zu einem kleinen Tänzchen auf, und die drei graziösen Figuren schwebten nun, indem sie mit geschickten Bewegungen sich vom Boden und den Wänden abstießen, Hand in Hand um das Zimmer. In ihren wehenden Schleiern glichen sie den Elfen des Märchens, die in der Mondnacht ihren luftigen Reigen führen. Darauf zogen sie sich wieder auf ihre Plätze zurück.

Grunthe nahm sein Fernrohr aus der Tasche, streckte die Hand aus und öffnete sie dann. Das Fernrohr blieb frei in der Luft schweben, ohne zu fallen. Er konnte es sich nicht versagen, selbst einmal zu versuchen, wie es sich ohne Schwere gehe, und trat aus seinem Gestell. Sobald er aber dasselbe losgelassen und den Fuß zum ersten Schritt erhob, verlor er das Gleichgewicht und focht mit Händen und Füßen in der Luft herum, ohne wieder auf den Boden kommen zu können. Es sah ungeheuer possierlich aus, wie der ernste Mann hin- und herstrampelte, und Saltner war sehr froh, daß er Las Rat gefolgt war, sich nicht von seinem festen Punkt fortzuwagen. Erst durch Hilfe einiger Martier kam Grunthe wieder auf den Boden zu stehen und wurde in sein Gestell zurückgeführt.

»Es schadet nichts«, sagte er, »man muß alles versuchen.«

Jetzt erscholl ein neues Signal, worauf alle sich schleunigst in ihre Gestelle begaben. Gleich darauf wurde es ganz dunkel bis auf den matten Schimmer einer Lampe, welche genau die Mitte des Zimmers einnahm. Doch reichte ihr Schein nur aus, ihre Stelle zu bezeichnen, nicht aber, irgendwelche andere Gegenstände zu erkennen.

»Was kommt denn nun?« fragte Saltner.

Hil antwortete ihm. »Bis jetzt«, sagte er, »sind wir ohne Schwere durch den gegebenen Anstoß mit gleichmäßiger Geschwindigkeit gestiegen, und zwar sechs Minuten lang. Wir haben dadurch eine Höhe von ungefähr 10 000 Metern erreicht. Die Luft ist hier dünn genug, daß wir eine größere Geschwindigkeit annehmen können. Das Feld wird jetzt überkompensiert, das heißt, die ›Gegenschwere‹ überwiegt nun die Schwere, und wir ›fallen‹ nach oben, nach dem Ring zu. Sie werden bald merken, daß unsere Geschwindigkeit stark zunimmt, denn unser Fall nach dem Ring beschleunigt sich natürlich rasch.«

In der Tat bemerkten Grunthe und Saltner bald dasselbe Gefühl, welches sie bei sehr beschleunigtem Fallen des Ballons zu haben pflegten. Es war, als würde ihnen der Boden unter den Füßen entzogen.

»Was ist denn das?« rief Saltner. »Wir stürzen ja ab!«

»Freilich fallen wir«, lachte La, »aber nach oben, das heißt, von der Erde fort.«

»Ich fühle doch, daß der Boden unter den Füßen sich senkt.«

»Ganz richtig, aber wo, glauben Sie, daß die Erde sich befindet?«

»Nun, doch unter uns!«

»Fehlgeschossen! Sie stehen jetzt auf dem Kopf wie ein Antipode. Die Erde ist über Ihrem Scheitel, unsre Füße sind dem Ring der Außenstation zugekehrt, wohin jetzt die Richtung der Fallkraft hinweist.«

»Ach, liebste La, wollen Sie mich denn vollständig verdreht machen?«

Als Antwort hörte er ihr leises Lachen.

Es wurde wieder hell. Nichts im Zimmer hatte sich verändert.

Die Martier verließen nun ihre Gestelle und bewegten sich wie gewöhnlich im Zimmer.

Auch Grunthe und Saltner bemerkten, daß sich das eigentümliche Gefühl des Fallens ziemlich verloren hatte. Doch kam dies nur daher, daß sie sich daran gewöhnt hatten. Tatsächlich flog die Kugel mit immer größerer Geschwindigkeit auf ihr Ziel zu, von der Erde fort, und diese Geschwindigkeit sollte sich allmählich bis auf die kolossale Zahl von gegen zweitausend Meter in der Sekunde steigern.

Der untere Teil der Kugel, unter dem Fußboden, war beschwert, so daß sich die Kugel je nach der Richtung der Fallkraft immer mit dem Boden des Zimmers nach unten einstellte. Diese Drehung hatte sich sofort vollzogen, als das Feld überkompensiert wurde und die Beschleunigung nach oben begann. Aber die Insassen hatten gar nichts davon bemerkt, da sie fest in ihren Gestellen ruhten und die Wirkung der Schwere im Anfang so gering war, daß es zu ihrer Aufhebung keiner merklichen Muskelkraft bedurfte. Sie standen jetzt, im Vergleich zu ihrem Aufenthalt am Pol, tatsächlich auf dem Kopf; im Vergleich zu der auf sie wirkenden Anziehungskraft befanden sie sich jedoch in der normalen Lage; sie standen auf ihren Füßen. Immerhin mußten sich Grunthe und Saltner vorsichtig bewegen, da das Feld nur um ein Drittel der Erdschwere überkompensiert war, das heißt so, daß die Insassen der Kugel unter einer anziehenden Kraft standen, wie sie sie auf dem Mars gewohnt waren. Die Menschen zogen es daher vor, sich auf den Sesseln am Tisch niederzulassen und dort zu bleiben. Es fehlte nicht an Unterhaltung mit den Martiern, die jetzt zu ihren Piks gegriffen hatten. Hil hatte sich überzeugt, daß die Menschen die Schwerelosigkeit leicht ertrugen. Saltner saß Hand in Hand mit La in vertraulichem Gespräch. Niemand kümmerte sich um sie.

Eine halbe Stunde etwa nach der Abfahrt von der Erde mußten die Insassen des Wagens auf das gegebene Signal noch einmal ihre Plätze in den seitlichen Verschlägen einnehmen. Der Wagen hatte jetzt seine größte Geschwindigkeit erreicht und über die Hälfte seines Weges zurückgelegt. Es kam nunmehr darauf an, seine Geschwindigkeit zu vermindern und so zu regulieren, daß er gerade innerhalb des Ringes zur Ruhe kam. Dies geschah, indem man die Erdschwere wieder wirken ließ. Diese besaß jedoch in dieser Höhe nicht mehr die volle Stärke wie am Pol, sondern war nur noch etwa so groß wie auf dem Mars, ja auf dem Ring selbst betrug sie nur ein Viertel der unten herrschenden Schwere. Der Wagen glich jetzt einem Körper, den man mit großer Geschwindigkeit in die Höhe geworfen hat und der sich nun mit abnehmender Geschwindigkeit dem höchsten Punkt seiner Bahn nähert. Der Fußboden des Wagens mußte sich demnach wieder der Erde zuwenden, und diese Drehung wartete man bei verdunkeltem Wagen in den schützenden Gestellen ab. Den übrigen Teil der Fahrt über konnte man sich nach Belieben im Wagen bewegen, nur kurz vor der Ankunft wurden die Gestelle wieder aufgesucht. Denn der letzte Teil des Weges mußte mit gleichmäßiger, nicht sehr bedeutender Geschwindigkeit zurückgelegt werden, um das Anhalten des Wagens im richtigen Zeitpunkt zu regulieren. Dazu aber war es notwendig, diese Strecke abarisch, ohne jede Schwere zu durchlaufen, bis das Wiedereinstellen der Schwere in der letzten Sekunde den Wagen anhielt.

Man bemerkte kaum das Anhalten des Wagens, so allmählich war es geschehen. Das Fallnetz hatte sich unter ihm geschlossen und war nach der Befestigung des Wagens wieder entfernt worden. Die Tür im Boden wurde geöffnet.

Ehe die Reisenden den Wagen verließen, versahen sich alle mit Schutzbrillen für die Augen, da hier oben das direkte Sonnenlicht durch keine Atmosphäre gemildert war und alle Gegenstände, auf die es traf, in blendendem Glanz erscheinen ließ, während sich die Schatten tiefschwarz abhoben. Nun trat man in die mittlere Galerie des Ringes.

Die Martier durchschritten dieselbe und begaben sich sogleich durch die Tür, welche die Überschrift trug ›Vel lo nu‹ – ›Raumschiff nach dem Mars‹ –, nach der oberen Galerie, über welcher das Raumschiff ruhte. Grunthe und Saltner dagegen wurden von Hil und La zunächst durch eine andere Tür nach der unteren Galerie geleitet, und zwar nach derjenigen, welche den Ring auf seiner äußeren Seite umzog.

Eine zweite solche untere Galerie umgab den Ring auf der inneren Seite und enthielt die Apparate, durch welche das abarische Feld kontrolliert wurde. Hier befanden sich auch die Arbeitsräume der Ingenieure. Um nach der äußeren Galerie durch einen Verbindungsweg zu gelangen, mußte man zunächst die innere durchschreiten, und La begrüßte ihren Vater Fru, dem die Leitung der Außenstation oblag. Die äußere, sechs Meter breite Galerie sprang noch etwa zwei Meter über die Seitenwand des Ringes vor, so daß man an dieser vorüber in die Höhe blicken konnte. Sie diente als Aussichtsraum, von welchem aus der Blick auch nach der inneren Seite des Ringes frei war, so daß man nach unten den ganzen Horizont beherrschte.

Ihrer vollen Länge nach hatte man nach Art eines Balkons eine Brüstung angebracht, so daß man glaubte, von diesem erhabenen Standpunkt aus direkt ins Freie zu sehen. Tatsächlich war man durch den vollkommen durchsichtigen Stoff der Außenwand vom luftleeren, eisigen Weltraum geschieden. Aber die in weiten Zwischenräumen sich folgenden Träger dieser Galerie hinderten ebensowenig die Aussicht wie der weiter oberhalb sich drehende durchbrochene Schwungring. Die Stelle, an welcher Grunthe und Saltner mit ihren Begleitern die Galerie betraten, lag von der Sonne abgewendet, so daß die Strahlen derselben, trotz ihres niedrigen Standes, durch die ganze Breite des über der Galerie befindlichen Ringes abgeblendet wurden. Sie standen in einer geheimnisvollen Dämmerung, die nur durch den Reflex des Mondlichtes auf dem einen Rand der Galerie und durch denjenigen des Erdlichtes an der Decke über ihnen erhellt wurde.

Tiefschwarz lag der Himmel ringsum, über ihnen, an den Seiten, zu ihren Füßen; auf dem schwarzen Grund glänzten die Sterne in nie geschauter Klarheit, ohne zu funkeln, als tausend ruhig leuchtende Punkte. Im ersten Augenblick glaubten die Forscher in einen tiefen See zu blicken, in welchem der Himmel sich spiegele. Dann erst erkannten sie, daß sie zu ihren Füßen einen großen Teil der Sternbilder des südlichen Himmels vor sich hatten. Denn ihr Blick beherrschte den Himmel bis zu sechzig Grad unter den Horizont des Nordpols.

In der Mitte zu ihren Füßen schwebte die Erde als eine glänzende Scheibe. Sie hatte die Gestalt des zunehmenden Mondes kurz nach seinem ersten Viertel, doch erblickte man auch den von der Sonne nicht beleuchteten Teil, da ihn das Licht des Mondes in einen schwachen Schimmer hüllte. Die ganze Scheibe der Erde erschien unter einem Gesichtswinkel von sechzig Grad und erfüllte somit gerade den dritten Teil des Himmels unterhalb des Horizontes. Die Schattengrenze schnitt das Eismeer in der Nähe der Jenisseimündung, so daß der größte Teil Sibiriens und die Westküste Amerikas im Dunkel lagen. Hell glänzten die Gletscher an der Ostküste Grönlands im Schein der Mittagssonne, und als ein strahlender weißer Fleck hob sich Island aus den dunklen Fluten des Atlantischen Meeres. Der westliche Teil des Ozeans und der amerikanische Kontinent waren nicht zu erkennen. Über ihnen ruhte eine nur selten unterbrochene Wolkenschicht, deren obere Seite die Sonnenstrahlen in blendendem Weiß zurückwarf, so daß ihr Anblick ohne die schützenden Augengläser unerträglich gewesen wäre. Dagegen lag die Karte von ganz Europa, wenigstens in seinem nördlichen Teil, in günstigster Beleuchtung vor den entzückten Blicken. Unter dem Einfluß eines ausgedehnten Hochdruckgebiets war die Luft dort völlig klar und rein, so daß man die nördlichen Inseln und Halbinseln und die tief eingeschnittenen Meeresbuchten deutlich erkannte. Weiterhin verschwammen die Formen der Ebenen in einem bläulich-grünlichen Luftton, aber als feine helle Linien blitzten für ein scharfes Auge die Ketten der Alpen und selbst des Kaukasus auf. In matterem Licht schimmerte der Rand des beleuchteten Teils der Scheibe, und nur an der Schattengrenze bezeichneten einige helle Lichtpunkte den Untergang der Sonne für die Schneegipfel des Tianschan und des Altai.

In tiefem Schweigen standen die Deutschen, völlig versunken in den Anblick, der noch keinem Menschenauge bisher vergönnt gewesen war. Noch niemals war es ihnen so klar zum Bewußtsein gekommen, was es heißt, im Weltraum auf dem Körnchen hingewirbelt zu werden, das man Erde nennt; noch niemals hatten sie den Himmel unter sich erblickt. Die Martier ehrten ihre Stimmung. Auch sie, denen die Wunder des Weltraums vertraut waren, verstummten vor der Gegenwart des Unendlichen. Die machtvollen Bewohner des Mars und die schwachen Geschöpfe der Erde, im Gefühl des Erhabenen beugten sich ihre Herzen in gleicher Demut der Allmacht, die durch die Himmel waltet. Aus der Stille des Alls sprach die Stimme des einen Vaters zu seinen Kindern und füllte ihre Seelen mit andächtigem Vertrauen.

La hatte Saltners Hand ergriffen, sanft lehnte sie sich an seine Schulter, und mit der Rechten auf den hellsten der Sterne weisend, der unterhalb des Horizonts des Pols leuchtete sagte sie leise: »Dort ist meine Heimat.«

Saltner zog sie an sich und sprach: »Und dort meine Erde, ist sie nicht schön?«

Grunthe holte sein Relieffernrohr hervor und trat dicht an den inneren Rand der Galerie, welcher den Blick auf den Nordpol gestattete. Auch ihn hatte die Erinnerung an die so greifbar nahe vor ihm ausgebreiteten und doch so unerreichbaren fernen Lande seiner Heimat weichgestimmt. Aber er wollte nichts wissen von dem, was La und Saltner sich zu sagen hatten. Ihn beschäftigte jetzt, nachdem das Überwältigende des ersten Eindrucks vorüber war, vor allem der Gedanke, wie er es ermöglichen könne, die Reise über die Eisfelder und Meere des Polargebiets zurückzulegen. Und er wollte die günstige Gelegenheit benutzen, von hier oben den Weg zu überblicken, den er auf den Karten der Martier schon wiederholt studiert hatte. Ein kleiner dunkler Fleck direkt unter ihm stellte das Binnenmeer am Pol vor, und mit seinem Glas konnte er die Insel in der Mitte desselben erkennen. Er wandte sich mit einer Frage an Hil, der ihn an eine andere Stelle der Galerie führte.

»Sie können hier«, sagte er, »die Erde bequemer mit einem unsrer Apparate betrachten, der Ihnen eine hundertfache Vergrößerung gibt. Später sollen Sie im Laboratorium unser großes Fernrohr mit tausendfacher Annäherung kennenlernen.«

La blickte lange nach der Erde hinab. Dann sagte sie in ihrer langsamen, tiefen Sprechweise: »Größer und schöner mag eure Erde sein, aber ich müßte dort sterben in eurer Schwere. Und schwer wie die Luft sind eure Herzen. Ich aber bin eine Nume.«

Sie ließ das schützende Augenglas herabfallen und wendete ihm voll das Gesicht zu. In ihrem Blick flammte wieder jene unbeschreibliche Überlegenheit, welche den Menschenwillen brach. Aber es war nur ein Moment. Dann wechselte der Ausdruck ihrer Züge, ihre Wimpern senkten sich über die Sterne ihrer Augen, und Saltner fühlte, wie ein Strom von Wärme ihrem Antlitz entstrahlte, das sie nun zur Seite wandte.

Vom Zauber ihrer Nähe hingerissen, beugte er sich ihr entgegen und drückte seine Lippen auf ihren Hals.

La zuckte zusammen. Schon fürchtete Saltner, sie beleidigt zu haben, aber sie wandte sich mit einem glücklichen Lächeln und duldete seinen Kuß auf ihren Mund.

»Geliebte La«, flüsterte er, »wie glücklich machst du mich! Ist es denn möglich, du Wunderbare, daß ein armer Mensch eine Nume lieben darf?«

Sie sah ihn freundlich an und antwortete: »Ich weiß es nicht, was ihr Liebe nennt und was ein Mensch darf. La aber darf dem Menschen nicht zürnen, ohne den sie den Nu nicht wiedersehn würde – – doch, mein Freund –«, und ihr Blick wurde ernst, »– vergiß nicht, daß ich eine Nume bin.«

»Aber ich liebe dich!«

»Ich will es nicht verbieten, nur vergiß niemals –«

»Das verstehe ich nicht, wenn ich nur dein sein darf –«

»Die Liebe der Nume macht niemals unfrei«, sagte La.

»Und wenn du mich lieb hast –«

»Wie Nume lieb haben. Und du mußt wissen, wenn sie es tun, daß dies niemand etwas angeht als sie selbst, und daß –. Ich weiß es auf deutsch nicht recht zu sagen –«

»Auf martisch versteh ich's ganz gewiß nicht, aber ich weiß –«, und Saltner zog ihre Hand an seine Lippen, »– ich weiß, daß du –« Seine beredten Schmeichelworte wurden durch die Annäherung Hils unterbrochen.

»Wenn wir vor dem Abgang noch einen Blick in das Schiff werfen wollen«, sagte er, »so ist es jetzt Zeit.«

»Schon?« rief La. »Wir haben die Erde noch gar nicht durchs Fernrohr betrachtet.«

»Das können wir noch vor der Rückfahrt.«

»Aber dann ist es vielleicht in Deutschland schon Abend«, sagte Saltner, »ich möchte doch gern –«

»Durchaus nicht«, erwiderte Hil. »In einer halben Stunde ist alles vorüber, und dann haben Sie erst ein Viertel nach drei Uhr. – Aber lassen Sie uns jetzt eilen!«

16. Kapitel

Die Aussicht nach der Heimat

Die vier Besucher des Ringes begaben sich über die mittlere Galerie nach der Treppe zur oberen. Hier gelangten sie in die weite Halle, von welcher aus die Abfahrt der Raumschiffe stattfand. Das rege Leben, das hier geherrscht hatte, begann sich jetzt zu beruhigen. Denn die Einschiffung der Abreisenden war vollendet, und ihre Begleiter verließen soeben das Schiff. Die Luke sollte geschlossen werden.

Hil mit seiner Begleitung hatte sich doch verspätet, und so mußten Grunthe und Saltner sich diesmal darauf beschränken, das Raumschiff von außen zu betrachten. Sie trösteten sich damit, daß in drei Tagen bereits eine neue Abfahrt stattfände; überdies fesselte sie der Anblick, der sich ihnen darbot, zur Genüge.

Die riesige Halle besaß einen Radius von 60 Meter. An ihrer Decke, und zwar rings um den Rand herum, befanden sich kreisförmige Einschnitte. Auf fünf von ihnen ruhte je ein Raumschiff, so daß das untere Segment desselben in die Halle hineinragte und von hier aus zugänglich war. Der überwiegende Teil jedes Raumschiffs befand sich natürlich oberhalb der Decke nach außen, wodurch die Halle, wenn man sie von oben her hätte betrachten können, wie von fünf Riesenkuppeln gekrönt erschienen wäre. Bei vollbesetzter Station hätten sich acht Kuppeln über der Halle erhoben. Die Martier waren imstande, acht Raumschiffe gleichzeitig auf der Station zu halten. Die vorhandenen fünf Schiffe sollten in dreitägigen Zwischenräumen die Station verlassen; sie vermochten sämtliche anwesende Martier fortzufahren, so daß also der Aufenthalt der Martier auf der Insel in fünfzehn Tagen beendet sein mußte. Man konnte durch die vollständig durchsichtige Decke die Außenseite der Schiffe genau betrachten. Sie stellten vollkommene Kugeln dar, die mit ihrem größten Umfang noch weit über den Rand der Galerie hinausragten. Auch nicht der geringste Vorsprung, nicht die kleinste Unebenheit war an ihnen zu entdecken. Die äußeren Hüllen dieser Kugeln waren durchsichtig. Man erblickte hinter ihnen die innere Kugel, den eigentlichen Schiffsraum, von welchem aus eine Reihe von Öffnungen in den Zwischenraum zwischen beiden Kugeln hineinführte. Dieser über zwei Meter breite Raum trug in regelmäßiger Anordnung allerlei Gerüste, die den verschiedenen Zwecken der Raumfahrt dienten. Jetzt waren sie zum größten Teil von den Martiern besetzt, die mit ihren Freunden in der Abfahrtshalle noch Abschiedsgrüße austauschten.

An der tiefsten Stelle der Kugel befand sich ein abgegrenzter Raum, der die Kommandobrücke bildete. Hier erschien jetzt Jo. Er warf einen Blick auf die Apparate, die rings um seinen Platz angeordnet waren. Dann grüßte er mit einer Handbewegung in die Halle hinein und drückte auf einen Knopf. In diesem Augenblick leuchtete zu seinen Füßen auf der Innenseite der durchsichtigen Kugel das Bild eines Kometen und der Name des Schiffes, das der ›Komet‹ hieß, in bläulichem Fluoreszenzlicht auf. Dies war das Zeichen, daß der ›Komet‹ bereit war, seine Reise anzutreten.

Man hatte schon vorher die ganze Galerie, die sich um ihre vertikale Achse drehen ließ, für die Abfahrt passend eingestellt. Genau in der Sekunde, in welcher diese stattfinden sollte, mußte der Punkt der Galerie, wo das Schiff sich befand, von der Sonne abgewendet stehen. Denn sobald das Schiff bei seiner Abfahrt völlig schwerelos gemacht wurde, bewegte es sich in der Tangente der Erdbahn. Da aber die Erde gleichzeitig in ihrer Bahn fortlief, so hatte dies zur Folge, daß das Schiff in bezug auf die Erde sich auf einer Linie entfernte, welche genau von der Sonne fortwies. Nach dieser Richtung hin also mußte die Bahn frei sein. Die Sonne hatte den niedrigen Stand von gegen sieben Grad über dem Horizont, die Bewegung wich somit von der horizontalen wenig ab.

Die Martier im Innern der Abfahrtshalle fuhren jetzt auf Schienen eine eigentümliche Hebemaschine unter das Schiff. Sie bestand in einem oben offenen, unten geschlossenen Zylinder, welcher dazu diente, das Schiff aus seinem Lager zu heben und gleichzeitig die Öffnung der Abfahrtshalle luftdicht zu schließen. Der Zylinder wurde in die Höhe geschraubt und hob dadurch auf seinem oberen Rande das fast schon schwerelos gemachte und darum leicht bewegliche Schiff empor. Als das Schiff so hoch gebracht war, daß sein tiefster Punkt höher stand als das Dach der Halle, wurde der Hebungszylinder angehalten. Auf ein gegebenes Zeichen mußte er herabfallen und damit das Schiff freigeben.

Der entscheidende Augenblick nahte. Die vollkommene Diabarie des Schiffes mußte genau in dem berechneten Moment eintreten, wenn nicht die Disposition der ganzen Raumreise dadurch verändert werden sollte.

Jo hatte seinen Blick auf die Uhr gerichtet, während seine Hand den Griff des diabarischen Apparats umfaßt hielt. Mit größter Aufmerksamkeit beobachtete ihn der Ingenieur im Innern der Halle, um das Zeichen zum Fallen des Stütz-Zylinders zu geben.

Jetzt blickte Jo hinab und drückte auf den Griff. Zugleich sank der Zylinder nach unten. Die riesige Kugel schwebte, vollständig frei, dicht über dem Dach der Halle.

Die Martier im Schiff und in der Halle schwenkten grüßend Hände und Tücher. Mit angehaltenem Atem folgten Grunthe und Saltner dem wunderbaren Schauspiel, das so gar keine Ähnlichkeit mit dem Aufstieg eines Luftballons hatte. Es schien den Menschen, als müßte die freischwebende Riesenmasse sie im nächsten Augenblick zerschmettern.

In den ersten Sekunden bemerkte man kaum, daß das Raumschiff sich bewege, denn die Abweichung von der Erdbahn, welche in der ersten Sekunde nur 3 Millimeter beträgt, steigt nach 10 Sekunden erst auf 30 Zentimeter. Nach einer Minute aber war die Entfernung schon auf 11 Meter gewachsen. Die Kugel passierte jetzt den Rand der Galerie und schwebte frei über der unendlichen Tiefe, 6300 Kilometer hoch über der Erde. Selbst die geübten Luftschiffer Grunthe und Saltner überkam ein beängstigendes Gefühl, als sie das Schiff so ganz langsam, ohne jede bemerkbare Triebkraft, über den Abgrund ziehen sahen. Schon wuchs die Entfernung merklicher. Nach zwei Minuten war es 44, nach drei Minuten 100 Meter entfernt, und immer mehr verschwanden die wehenden Tücher. Genau in der Richtung der Sonnenstrahlen, sanft nach unten geneigt, hart am Rand des – übrigens im leeren Raum nicht sichtbaren – Schattens des Ringes zog das Schiff hin. Die Kugel wurde sichtlich kleiner; nach zehn Minuten hatte sie einen Abstand von 1100 Metern erreicht.

»Es ist nun hier weiter nichts mehr zu sehen«, sagte Hil zu Saltner. »Wenn es Ihnen recht ist, werfen wir jetzt einen Blick auf die Erde durch unsern großen Apparat.«

»Wie lange kann man den ›Komet‹ noch erblicken?« fragte Grunthe.

»Mit dem Fernrohr«, erwiderte Hil, »können wir ihn so lange sehen, bis er Richtschüsse gibt und durch den Erdschatten geht. Wie mir Jo sagte, beabsichtigt er dies zu tun, sobald er 1000 Kilometer von hier entfernt ist. Das wird in 5 Stunden der Fall sein. Nachher entfernt er sich natürlich mit viel größerer Geschwindigkeit, weil er von der Erdbahn abbiegt.«

»Kann man die Lösung der Richtschüsse von hier beobachten?«

»Davon sehen Sie gar nichts. Ich will Ihnen jetzt etwas Interessanteres zeigen, und Sie sollen mir mancherlei erklären.«

In der inneren auf der Unterseite des Ringes befindlichen Galerie traf die kleine Gesellschaft auf Las Vater, der erst jetzt Saltner und Grunthe freundlich begrüßte, da er bisher zu sehr mit der Expedition des Schiffes beschäftigt gewesen war. Hil bat um Erlaubnis, das große Instrument der Station benutzen zu dürfen. Fru erklärte sich gern bereit, selbst die Einstellung zu übernehmen.

»Aber du mußt die ganz starke Vergrößerung anwenden«, sagte La schmeichelnd zu ihrem Vater, »der arme Bat hier möchte einmal sehen, wo er zu Hause ist.«

»Und die neugierige La auch, nicht wahr? Nun, du weißt, es kommt alles auf die Beleuchtung an.«

Es gesellten sich noch einige andere Martier hinzu, die ebenfalls die Gelegenheit wahrnehmen wollten, sich die Erde von ihren Bewohnern erklären zu lassen.

»Ach«, sagte Saltner leise zu La, »das wird eine große Gesellschaft, da werden wir wohl nicht viel zu sehen bekommen.«

»Warte nur ab«, antwortete sie ebenso, »das wird gerade hübsch. Du weißt ja gar nicht, wie man bei uns ins Fernrohr sieht.«

Man sammelte sich vor einer geschlossenen Tür.

»Sie denken vielleicht«, sagte La, »daß bei uns jeder für sich durch ein Rohr guckt. O nein, das ist viel bequemer.«

Fru öffnete die Tür. Man trat in ein vollständig verdunkeltes Zimmer, das nur künstlich durch eine Lampe beleuchtet war. Die eine Wand war rein weiß, alle übrigen schwarz angestrichen. Man gruppierte sich vor der weißen Wand, im Vordergrund La, Saltner und Grunthe als Gäste neben ihr. Hinter den Zuschauern befand sich ein Gestell mit verschiedenen Apparaten und Meßinstrumenten, von welchem aus schwarz angestrichene Rohre nach der Decke liefen. Hier stellte sich Fru auf. Das Licht verlosch. Nur die Schrauben und Skalen der Apparate phosphoreszierten in schwachem Eigenlicht.

Als Fru den Verschluß des Suchers öffnete, projizierte sich auf der Wand ein Teil des südlichen Sternenhimmels, und nach einigen Verschiebungen erschien das Bild der Erde, nicht vergrößert, aber sehr scharf in allen Umrissen. Es nahm fast die ganze Fläche der Wand ein, und man konnte deutlich die Abnahme der Beleuchtung an der Schattengrenze beobachten, die jetzt schon etwas weiter nach Westen gerückt war. Zum Glück zeigte sich der Himmel über Deutschland ganz klar, so daß Fru nicht zweifelte, die stärkste Vergrößerung anwenden zu können. Fru ersuchte Grunthe, ihm auf dem Bild an der Wand die Stelle zu bezeichnen, an welcher ungefähr die Hauptstadt seines Landes zu suchen sei. Grunthe deutete auf einen Punkt in Norddeutschland und Fru stellte nun den Projektionsapparat so ein, daß dieser Punkt genau in die Mitte des Bildes kam. Jetzt wandte er hundertfache Vergrößerung an, um die Stadt Berlin erkennen zu lassen. Die Entfernung von der Außenstation bis nach Berlin betrug 8600 Kilometer; bei der angewandten Vergrößerung wurden also die Gegenstände bis auf 86 Kilometer nahegerückt, und es war somit möglich, Ausdehnungen von etwa hundert Meter Länge zu unterscheiden und bei besonders heller Beleuchtung auch noch kleinere. Der Kreis an der Wand, der jetzt freilich sehr viel lichtschwächer erschien, zeigte sich von bräunlichen und grünlichen Streifen und Vierecken bedeckt, die an zahlreichen Stellen von dunkleren, unregelmäßigen Flecken unterbrochen waren; jene waren die bebauten Felder, diese die dazwischen liegenden Wälder und Seen.

Grunthe hatte richtig geschätzt. An der rechten Seite des Bildes waren die ausgedehnten Seen der Havel bei Potsdam unverkennbar, links erschien noch der Lauf der Oder bei Frankfurt auf dem Bild. Eine verwaschene Stelle nach rechts unten zeigte die von Rauch erfüllte Atmosphäre der Millionenstadt an. Diese wurde nun in die Mitte der Projektion gebracht und nochmals um das Zehnfache vergrößert. Dadurch rückte die Stadt bis auf kaum neun Kilometer an den Standpunkt des Beschauers heran. Es war, als ob man sie aus einem dreitausend Meter über dem Nordende der Stadt schwebenden Luftballon betrachtete, nur freilich bei einer außerordentlich matten Beleuchtung. Der auf der Wand abgebildete Kreis umfaßte in Wirklichkeit einen Durchmesser von zehn Kilometern.

Dem Mangel an Licht, welcher eine Folge der Projektion bei starker Vergrößerung war, konnten die Martier durch eine ihrer genialen Erfindungen abhelfen; sie schalteten in den Gang der Lichtstrahlen ein sogenanntes optisches Relais ein. Die Strahlen passierten dabei eine Vorrichtung, durch welche sie neue Energie aufnahmen, und zwar jede Farbengattung genau Licht derselben Art und im Verhältnis ihrer Helligkeit. Dadurch erhielt das ganze Bild, ohne seinen Charakter zu verändern, die erforderliche Lichtstärke. Eins aber konnte freilich nicht entfernt werden – der über der ganzen Stadt lagernde Dunst und Qualm. Die Felder nördlich von der Stadt und ein Teil der Vororte waren zu erkennen. Man bemerkte die feinen Linien, von einem Rauchwölkchen gekrönt, welche die der Hauptstadt zustrebenden Eisenbahnzüge vorstellten. Das Häusermeer selbst aber verschwamm in einem grauen Nebel, über den nur die Türme und Kuppeln der Kirchen hervorragten. Deutlich erkannte man den Reflex der Sonne an dem Dach des Reichstagsgebäudes und an der Siegessäule.

Grunthe und Saltner hatten natürlich schon öfter Gelegenheit gehabt, bei ihren Gesprächen mit den Martiern die wichtigsten geographischen und politischen Aufklärungen über die Menschen zu geben. Sie würden noch besseres Verständnis dafür gefunden haben, wenn nicht die Inselbewohner als Techniker hauptsächlich mathematisch-naturwissenschaftlich gebildet gewesen wären, so daß ihre historischen Kenntnisse nur der allgemeinen Bildung der Martier entsprachen. So wußten diese bloß im allgemeinen zu sagen, daß ihnen die Einrichtungen der Erde auf dem Standpunkt zu stehen schienen, den man auf dem Mars als Periode der Kohlenenergie bezeichnete. Sie lag für die Geschichte der Martier um mehrere hunderttausend Jahre zurück. Rassen, Staaten und Stände in heißem Konkurrenzkampf um Lebensunterhalt und Genuß, die ethischen und ästhetischen Ideale noch nicht rein geschieden von den theoretischen Bestimmungen, der Energieverbrauch ganz auf das Pflanzenreich angewiesen, ob diese Energie nun von der Landwirtschaft aus den lebenden oder von der Industrie aus den begrabenen Pflanzen, den Kohlen, gezogen wurde.

»Woher kommen diese Nebel über Ihren großen Städten?« fragte einer der Martier.

»Hauptsächlich von der Verbrennung der Kohle«, erwiderte Grunthe.

»Aber warum nehmen Sie die Energie nicht direkt von der Sonnenstrahlung? Sie leben ja vom Kapital statt von den Zinsen.«

»Wir wissen leider noch nicht, wie wir das machen sollen. Übrigens sind die Kohlen doch nur zurückgelegte Zinsen, die unsere geehrten Vorfahren im Tierreich nicht aufzehren konnten.«

»Die Wolken sind häßlich, man kann ja nichts deutlich sehen«, sagte La.

»Ich wünschte«, sprach Hil mehr für sich als zu den andern, »wir hätten bei uns einen Teil Ihrer Wolken. Welch gewaltige Wasserbecken haben Sie auf der Erde!«

»Es ist aber hier an der Stadt wirklich nichts zu sehen«, bemerkte Fru. »Die Luft ist zu unruhig in größerer Höhe über der Stadt, wir bekommen keine klaren Bilder.«

»Lassen Sie uns einmal meine Heimat schauen«, rief Saltner. »Bitt' schön! Da ist die Luft klar wie auf dem Mars.«

»Das wollen wir sehen«, sagte La. »Aber Heimweh dürfen Sie nicht bekommen.«

»Ich will Ihnen sagen, wie Sie reisen müssen. Drehen Sie einmal so, daß wir nach Westen kommen –«

»Wie weit ist es bis nach Ihrer Heimat?«

»Von Berlin? Nun so siebenhundert Kilometer oder etwas mehr werden's wohl sein.«

»Nun, da kommen wir doch rascher zum Ziel, wenn wir erst noch einmal die hundertfache Vergrößerung nehmen und dann einstellen. So, jetzt dirigieren Sie. Das Bild faßt nunmehr hundert Kilometer im Durchmesser.«

»Also westlich bitte – aber nicht zu schnell, sonst erkenn ich nichts. Das ist Potsdam, nun weiter –. Das ist die Elbe – meinen Sie nicht, Grunthe? Das dort muß Magdeburg sein – halt! Nun immer direkt südlich.«

Fru ließ die Karte von Deutschland über die Tafel wandern. Der Harz, die Hügel- und Waldlandschaften Thüringens und des fränkischen Jura zogen schnell vorüber, die bayerische Hochebene beherrschte das Bild.

»Das dort muß München sein, da ist's schön!« rief Saltner. »Bitte, machen Sie einmal groß. Und dann erst weiter, dann kommen die Alpen.«

Fru stellte den Apparat wieder auf tausendfache Vergrößerung und schaltete das optische Relais ein. Die Hauptstadt Bayerns zeigte ihre Kuppeln.

»Jetzt dachte ich doch wirklich einen Augenblick«, rief La, »dort eine Frau zu erkennen. Aber das müßte ja eine seltsame Riesin sein.«

»Das ist sie auch«, sagte Saltner lachend. »Es ist die Bildsäule der Bavaria, die Sie sehen.«

»Bavaria? Wodurch hat sich die Frau so verdient gemacht, daß man ihr Bildsäulen setzt? Hat sie ein Problem gelöst?«

»Die Bierfrage«, sagte Saltner.

»Die Bildsäule stellt die Personifikation eines unsrer Staaten vor«, erklärte Grunthe.

»Warum nehmen Sie aber dazu nicht einen Mann?« fragte La wieder.

»Das hätte Grunthe auch sicher getan, wenn er gefragt worden wäre«, neckte Saltner.

»Ich denke«, sagte Grunthe, »es ist Zeit weiterzureisen.«

»Nun immer weiter nach Süden!« rief Saltner.

Die Vorberge der Alpen erschienen im klaren Licht der Nachmittagssonne. Ein dunkler Bergsee erfüllte die Wand, dahinter erhoben sich die Spitzen der bayerischen Alpen –

»Der Walchensee!« rief Saltner.

»Das ist schön – so schön gibt es nichts bei uns –«, sagte La.

»Wartens nur«, rief Saltner, der jetzt alles um sich und beinahe selbst La vergaß. »Es kommt noch schöner. Nun drehens nur langsam!«

Es war ein wunderbares Wandelpanorama, das sich jetzt entfaltete. Je höher die Gebirgswelt anstieg, um so klarer und reiner wurde die Luft und damit die Schärfe der Bilder. Man betrachtete das Gebirge aus einer Entfernung von neun Kilometern und unter einem Neigungswinkel von annähernd zwanzig Grad, also wie aus einer Höhe von dreitausend Metern, doch so, daß man unter dieser Neigung stets einen Umkreis von zehn Kilometern Durchmesser vor sich hatte, entsprechend einem Flächenraum von achtzig Quadratkilometern. So sah man jetzt gerade den Nordabfall der Karwendelwand vor sich, aber man blickte darüber hinweg auf die dahinterliegenden Gebirgsketten. Alles dies erschien im höchsten Grade plastisch, genau wie ein Relief der Gegend; denn das Fernrohr wirkte durch seine Konstruktion wie ein Stereoskop.

So schob sich die Gegend nach und nach vor den Blicken der Zuschauer vorüber, als ob dieselben in einem Luftballon schnell darüber hinschwebten. Der Einschnitt des Inntals wurde passiert, und nun leuchteten hell im Sonnenstrahl die Ferner der Ötztaler Alpen. Fru war bei der Drehung des Fernrohrs nach Westen abgewichen. Wieder erblickte man den schmalen Streifen eines tief eingeschnittenen Tales, und dahinter erschien eine herrliche Berggruppe, alle Gipfel mit glänzendem Weiß bedeckt.

»Was ist denn das«, rief Saltner, »da sind wir von der Richtung abgekommen. Das ist der Ortler! Nun müssen Sie wieder nach Osten drehen – so – immer weiter! Sehen Sie, immer an diesem Streifen hin, das ist nämlich das Etschtal, und jetzt können Sie gerad hineinschauen, hier schwenkt es nach Südost ab. Noch immer weiter, bis es ganz nach Süden geht – da – da schaun Sie hin – ah, wie schade, aus dem Tal steigt die Luft so unruhig in die Höhe, aber die Etsch können Sie durchschimmern sehn. Und jetzt, ganz langsam, noch ein bißchen, hier, die Berge am linken Ufer, hier ist's wieder klar – nun bitte, halt!«

Er beugte sich ganz dicht vor, daß der Schatten seines Kopfes auf die Wand fiel und die andern nicht mehr gut sehen konnten.

»Da, da ist's«, rief er jubelnd, »ich kann's deutlich erkennen. Das ist die alte Burg, links daneben liegt das Haus, mein Haus – Jesus Maria – ich kann's wahrhaftig sehen, wie ein kleines, weißes Pünktchen! Da wohnt mein Mutterl.«

Jetzt beugte auch La sich vor.

»Wo?« fragte sie.

Mit der Spitze einer Nadel bezeichnete Saltner den Punkt.

Ihre Köpfe berührten sich. Lange betrachtete La die Gegend, als wollte sie sich jede Einzelheit einprägen. Saltner trat beiseite.

»Ich hab nun genug geschaut, mir tun die Augen weh«, sagte er und zog sich auf einen der Stühle zurück. Er bedeckte die Augen mit der Hand und saß schweigend. La setzte sich neben ihn und drückte leise seine Linke.

Nach längerer Pause, während deren Fru die Schattengrenze der Erde betrachten ließ, die jetzt schon bis an den Ural vorgerückt war, sagte La zu Saltner: »Du möchtest wohl jetzt den Mars nicht mehr sehen?«

»Warum nicht?« entgegnete Saltner. »Ich will ihn auch liebgewinnen – aber du mußt verzeihen! Es ist ein bissen viel auf einmal, was jetzt durch meinen dummen Menschenverstand geht.«

»Ja, ihr armen Menschen«, sagte La, »es wird wohl noch ein Weilchen dauern, eh ich recht begreife, wie es in solchem Kopf aussieht. Die Heimat liebhaben und die Eltern und die Freunde, das ist gut. Und was gut ist, wie kann das traurig machen?«

»Wenn man es nicht hat –«

»Nicht hat? Wie kann man das nicht haben, was doch nur vom Willen abhängt? Wer kann dir die Treue nehmen, die du für recht hältst? Diese Liebe hast du doch, ob hier oder dort, weil du sie selbst bist.«

»Aber La, kennt ihr Nume die Sehnsucht nicht?«

»Die Sehnsucht? Siehst du, du törichter Lieber, was wirfst du doch durcheinander! Also bist du gar nicht gut aus reinem Willen, sondern dich treibt das Verlangen nach dem Besitz. Und aus diesem Widerstreit bist du traurig. Oh, was seid ihr für Wilde!«

»So würdest du dich nie nach mir sehnen?«

»Nach dir? Das ist doch ganz etwas anderes. Ich hab dich doch nicht lieb, weil es Pflicht ist, weil es gut ist, sondern lieb hab ich dich, weil es schön ist zu lieben und geliebt zu werden. Deine Nähe wünsche ich, wie ich den Ton des Liedes wünsche, um mich an seiner Schönheit zu erfreuen – aber nein, das ist auch noch nicht richtig, du könntest denken, das sei nur ein Mittel zur ästhetischen Lust – nein, so brauch ich deine Liebe und Nähe, wie der Künstler die eigne Seele braucht, um das Schöne zu schaffen. – Ach, ich komme mit eurer Sprache nicht zurecht. Ihr sprecht von Liebe in hundertfachem Sinn. Ihr liebt Gott und das Vaterland und die Eltern und die Kinder und die Gattin und die Geliebte und den Freund, ihr liebt das Gute und das Schöne und das Angenehme, ihr liebt euch selbst, und das sind doch absolut verschiedene Zustände des Gemüts, und immer habt ihr nur das eine Wort.«

»Ich will dich ja ohne alle Worte lieben, du kluge La –«

Sie blickte tief in seine Augen und sprach: »Wie nennt ihr das, was niemals wirklich ist, was man nur in der Phantasie sich vorstellt, und indem man es sich vorstellt, ist das Glück wirklich in uns? Wie nennt ihr das?«

Saltner zauderte mit der Antwort, und La fuhr fort: »Und das, was man wollen muß, ob es auch nicht glücklich macht, und was im Wollen erfreut, wenn es auch nicht wirklich wird, wie nennt ihr das?«

»Ich glaube«, erwiderte Saltner, »das erste nennen wir schön, und das zweite gut

»Und wenn ihr eine Frau liebt, rechnet ihr das zum Schönen oder zum Guten?«

Es kam zu keiner Antwort.

»Was ist das?« hörte man plötzlich Fru laut rufen. Eine Bewegung entstand bei den Martiern. Sie drängten sich nahe an die Wand und hefteten ihre Augen auf eine bestimmte Stelle des Bildes, das soeben vom Fernrohr projiziert wurde.

Grunthe hatte Fru gebeten, ihm die Einrichtung des Apparats zu erklären. Hierbei hatte Fru die Schrauben hin und her gedreht, das Bild der Erde war nicht mehr im Gesichtsfeld, zahllose Sterne liefen infolge der Umdrehung der Erde über den projizierten Teil des Himmels. Jetzt setzte Fru, weiter demonstrierend, das Uhrwerk in Gang, welches das Fernrohr der Erdbewegung entgegen drehte, so daß die Sterne auf dem Bild stillstanden. Fru warf einen Blick auf den Teil des Himmels, der sich zufällig eingestellt hatte. Es war ein Stückchen der ›südlichen Krone‹, das sich abbildete. Verwundert blickte er schärfer hin. Er kannte die Stelle zu genau, als daß ihm nicht ein Stern hätte auffallen sollen, der sich sonst nicht hier befand. Einer der Asteroiden konnte es nicht sein. Er änderte die Einstellung ein wenig und erkannte daran, daß der fragliche Körper sich in verhältnismäßig großer Nähe befinden müsse.

Dies hatte ihn zu dem lauten Ausruf veranlaßt. Aufmerksam prüften alle den Lichtpunkt, der sich deutlich von den Bildern der Fixsterne als eine kleine rötliche Scheibe unterschied.

»Es ist ein Schiff!« rief endlich einer der Martier.

»Der ›Komet‹?« fragte Grunthe.

»Das ist nicht möglich«, sagte Fru. »Es ist der ›Glo‹! Kein Zweifel, er ist an seiner roten Farbe kenntlich, es ist das Staatsschiff.«

»Die Ablösung!« hieß es in den Reihen der Martier.

»Und Instruktionen von der Regierung«, rief Fru.

»Wie lange Zeit braucht das Schiff noch bis zur Ankunft?« fragte Grunthe.

»Darüber können noch Stunden vergehen. Aber trotzdem muß ich leider um Entschuldigung bitten, daß ich Ihnen heute den Mars nicht mehr zeigen kann. Ich hoffe, es wird nächstens Gelegenheit dazu sein. Denn ich muß sofort die Vorbereitungen zur Landung treffen. Und deshalb, so leid es mir tut, muß ich auch den Flugwagen früher als beabsichtigt hinabgehen lassen. Sie müssen also die Güte haben, sich zur Rückfahrt nach der Insel bereitzuhalten.«

Fru verabschiedete sich herzlich von Grunthe, Saltner und La, und diese wie die übrigen Martier begaben sich nach der Abfahrtsstelle der Flugwagen, um auf die Insel zurückzukehren.

17. Kapitel

Pläne und Sorgen

Als Saltner am folgenden Morgen in Grunthes Zimmer trat, fand er diesen bereits eifrig mit Schreiben beschäftigt.

»Schon so fleißig?« fragte Saltner. »Sie haben wohl noch nicht einmal gefrühstückt?«

»Nein«, sagte Grunthe, »ich warte auf Sie. Ich habe nicht schlafen können und unsere Lage nach allen Seiten hin erwogen. Wir haben Wichtiges zu besprechen.«

Beide pflegten, ohne sich um die martische Sitte des Alleinspeisens zu bekümmern, ihre Mahlzeiten gemeinschaftlich in ihren Privatzimmern einzunehmen. Hier bot sich ihnen fast die einzige Gelegenheit, sich völlig ungestört auszusprechen.

»Nun«, sagte Saltner, nachdem sie sich aus den Automaten die Teller und Becher gefüllt hatten, die zu ihrer Reiseausrüstung gehörten – denn es war ihnen bequemer, nach europäischer Art zu speisen –, »nun, schießen Sie los, Grunthe! Ich höre.«

Grunthe sah sich um, ob die Klappen des Fernsprechers geschlossen seien. Dann sagte er leise:

»Ich habe die Überzeugung, daß sich unser Schicksal heute entscheiden wird. Und nach allem, was ich aus den Gesprächen der Martier entnommen habe, insbesondere gestern bei der Rückfahrt, erwartet man, daß das Staatsschiff den Befehl mitbringen wird, uns nach dem Mars zu transportieren.«

»Ich glaube, Sie haben recht«, erwiderte Saltner. »Soweit ich mit La darüber gesprochen habe, sieht sie es als bestimmt an, daß wir beide mit nach dem Mars gehen, und wir werden wohl schließlich einfach dazu gezwungen werden.«

Grunthe sah starr geradeaus. Dann sprach er langsam: »Ich gehe nach Europa zurück.«

Seine Lippen zogen sich zu einer geraden Linie zusammen. Sein Entschluß war unabänderlich.

Saltner blickte ihn erstaunt an.

»Na«, sagte er, »ich gebe zu, daß wir alle Kräfte daranzusetzen haben, unsrer Instruktion nachzukommen, das heißt, nach Auffindung des Nordpols auf dem kürzesten Wege heimzukehren. Und wenn ich auch eine Reise nach dem Mars in schöner Gesellschaft nicht so übel fände, so habe ich doch einen gewissen Horror vor Balancierkünsten und insbesondere vor diesen furchtbar fetten Speisen – ich denke noch mit Entsetzen an die flüssige Butter oder was es war, das wir neulich zum Frühstück erhielten – und bei dem Klima bleibt einem ja nichts übrig, als früh, mittags und abends ein Pfund Fett zu verschlingen –«

Grunthe runzelte die Stirn.

»Ja, Ihnen tut das nichts, Sie wissen ja nie, was Sie essen –«, er klopfte ihn auf die Schulter. »Seien Sie nicht böse, ich kann es nur nicht leiden, wenn Sie dieses fürchterlich ernste Gesicht machen. Aber ohne Scherz, was ich sagen wollte, ist dies: Wie stellen Sie sich denn das vor, gegen den Willen der Martier von hier fort- oder woanders hinzukommen, als wo man Sie freundlichst hinkomplimentiert?«

»Der Gewalt muß ich weichen«, erwiderte Grunthe. »Aber verstehen Sie, nur der Gewalt. Ich werde mich ihr indessen zu entziehen suchen.«

»Denken Sie die Nume zu überlisten?«

»Ich würde selbst das versuchen, wenn sie wirklich Gewalt brauchten, denn ich würde dann meinen, mich im Zustand der Notwehr zu befinden. Aber nach alledem, was ich von ihnen weiß, glaube ich nicht, daß sie so unwürdig und barbarisch handeln. Sie werden nur keine Rücksicht auf uns nehmen und uns dadurch in die Lage versetzen, ihnen freiwillig auf den Mars zu folgen.«

»Wie meinen Sie das?«

»Ich habe mir überlegt, sie werden uns nicht mit Gewalt einschiffen; das wäre ein Bruch des Gastrechts. Aber sie werden uns nicht erlauben, länger auf der Insel zu bleiben, als bis dieselbe für die Wintersaison geräumt wird. Und das kann man ihnen nicht verdenken, wenn sie uns nicht im Winter hierlassen wollen, während die Wirte selbst bis auf ein paar Wächter das Haus verlassen. Und somit werden wir vor die Alternative gestellt werden, entweder mit nach dem Mars zu ziehen oder die Heimreise mit unzulänglichen Mitteln bei Beginn des Polarwinters und wahrscheinlich bei widrigen Winden anzutreten. Und das ist es, was ich Ihnen sagen wollte. Wir müssen auf diesen Fall vorbereitet sein und genau wissen, was wir wollen; und ich muß wissen, wie Sie darüber denken. Denn ich bin überzeugt, daß der heutige Tag nicht ohne Ultimatum vorübergeht.«

»Das ist eine kitzlige Sache, liebster Freund. Unter diesen Umständen könnte es sicherer sein, auf dem kleinen Umweg über den Mars nach Berlin oder Friedau zurückzukehren. Nehmen Sie an, wir kommen glücklich über das Eismeer und geraten nicht in einen der Ozeane, aber wir gelangen nach Labrador oder Alaska oder nach Sibirien oder sonst einer dieser lieblichen Sommerfrischen – wenn wir dann überhaupt wieder herauskommen, so ist doch vor dem Sommer an keine Heimkehr zu denken; und für den Sommer haben uns die Martier ja sowieso versprochen, uns wieder herzubringen.«

»Die Gefahren kann ich leider nicht leugnen, aber wir müssen sie auf uns nehmen. Es ist doch immer die Möglichkeit vorhanden, daß wir nach Hause kommen oder wenigstens bis zu einem Ort, von welchem aus wir Nachricht geben können. Und das scheint mir das Entscheidende. Wir dürfen nichts unterlassen, die Kunde von der Anwesenheit der Martier am Pol den Regierungen der Kulturstaaten zu übermitteln, ehe jene selbst in unsern Ländern eintreffen. Man muß in Europa wie in Amerika vorbereitet sein.«

Saltner nickte nachdenklich. »Wenn wir unsre Brieftauben noch hätten! Aber die armen Dinger sind alle ertrunken.«

»Sehen Sie«, fuhr Grunthe noch leiser fort, »ich fürchte, wir können die Sachlage nicht ernst genug nehmen. Wir haben eine wissenschaftliche Pflicht; in dieser Hinsicht könnte man vielleicht sagen, daß wir ein Recht hätten, die sicherste Heimkehr zu wählen, auch daß der Besuch des Mars eine so unerhörte Tat wäre, daß sie die Übertretung unserer Instruktion entschuldigen könnte, obwohl sie dies für mein Gewissen nicht tut. – Bitte, lassen Sie mich aussprechen. Wir haben aber nach meiner Überzeugung außerdem eine politische und kulturgeschichtliche Pflicht, wenn man so sagen darf, die uns zwingt, alles daranzusetzen, selbst den geringsten Umstand auszunutzen, der uns eine Chance bietet, der Ankunft der Martier zuvorzukommen. Wer garantiert Ihnen, was die Vereinigten Staaten des Mars beschließen, wenn sie erst im vollen Besitz der Nachrichten über die Erdbewohner sind? Und selbst, wenn sie uns Wort halten, durch welche unbekannten Einflüsse können sie uns nicht verhindern, das zu tun, was für die Menschen das Richtige wäre? Wenn wir erst zugleich mit ihnen in Europa ankommen, wenn die Regierungen überrascht werden, ist es vielleicht zu spät, die geeigneten Maßregeln zu treffen.«

»Ich hätte unsre Stellung nicht für so verantwortlich gehalten«, sagte Saltner.

»Und ich sage Ihnen«, sprach Grunthe weiter, »nach reiflicher Überlegung – Sie wissen, daß ich keine Phrasen mache – ist es mir klar geworden, daß, solange die Menschheit existiert, von dem Entschluß zweier Menschen noch niemals so viel abgehangen hat wie von dem unsrigen.«

Saltner fuhr in die Höhe. »Das ist ein großes Wort –«

»Ein ganz bescheidenes. Wir sind durch Zufall in die Lage versetzt worden, einen Funken zu entdecken, der vielleicht einen Weltbrand entfacht. Unsere Entscheidung gleicht nicht der des Machthabers, der über Völkerschicksale bestimmt, sondern der des Soldaten, der sein Leben aufs Spiel zu setzen hat, um eine wichtige Meldung zur rechten Zeit zu überbringen. Sie werden mir zugeben, daß es noch niemals für die zivilisierte Menschheit ein bedeutungsvolleres Ereignis gegeben hat, als es die Berührung mit den Bewohnern des Mars sein muß. Die Europäer haben so viele Völker niederer Zivilisation durch ihr Eindringen vernichtet, daß wir wohl wissen können, was für uns auf dem Spiel steht, wenn die Martier in Europa Fuß fassen.«

»So wollen Sie überhaupt verhindern, daß die Martier in Europa aufgenommen werden?«

»Wenn ich es könnte, würde ich es tun. Aber wir sind einfache Gelehrte, wir haben keine politischen Entscheidungen zu fällen. Und eben darum dürfen wir unter keinen Umständen auf eigene Faust den Martiern die Hand bieten, dürfen nicht mit ihnen zugleich nach Europa gelangen, sondern wir müssen versuchen, den Großmächten die Nachricht von dem Bevorstehenden so zeitig zu bringen, daß sie sich über ihr gemeinsames Vorgehen entschließen können, ehe die Luftschiffe der Martier über Berlin und Petersburg, über London, Paris und Washington schweben.«

»Um Gottes willen, Sie sehen die Sache zu tragisch an. Die paar hundert Martier werden uns nicht gleich zugrunde richten; und wenn sie uns gefährlich werden, ist es immer noch Zeit, sie wieder hinauszuwerfen. Aber es ist doch viel wahrscheinlicher, daß wir sie als Freunde aufnehmen und den unermeßlichen Vorteil ihrer überlegenen Kultur für uns ausbeuten.«

»Die Frage ist zu schwer, um sie jetzt zu diskutieren, und wir eben müssen dafür sorgen, daß sie an den entscheidenden Stellen zur rechten Zeit erwogen werden kann. Nur unterschätzen Sie ja nicht die Macht der Martier. Denken Sie an Cortez, an Pizarro, die mit einer Handvoll Abenteurer mächtige Staaten zerstörten. Und was will die Kultur der Spanier gegenüber den Mexikanern oder Peruanern bedeuten im Vergleich zu dem Fortschritt von Hunderttausenden von Jahren, durch welchen die Martier uns überlegen sind? Das eben ist meine größte Sorge, daß man diese Überlegenheit überall unterschätzen wird, wenn nicht wir, die wir das abarische Feld und die Raumschiffe gesehen haben, soviel an uns ist, darüber Aufklärung verbreiten.«

»Sehen Sie nicht zu schwarz, Grunthe?«

»Ich will es von Herzen hoffen. Aber das sage ich Ihnen als meine Überzeugung: Mit dem Augenblick, in welchem das erste Luftschiff der Martier über dem Lustgarten erscheint, ist das deutsche Reich ein Vasall, der von der Gnade der Martier, vielleicht von der Gnade irgendeines untergeordneten Kapitäns lebt, und so alle übrigen Staaten der Erde.«

»Daran habe ich noch nicht gedacht.«

»Was wollen Sie gegen diese Nume tun? Ich will gar nicht von ihrer moralischen Überlegenheit und ihrer höheren Intelligenz reden; durch diese werden sie wahrscheinlich Mittel finden, uns nach ihrem Willen zu lenken, ehe wir es merken. Denken Sie allein an ihre technische Übermacht.«

»Man wird ihnen ihre Luftschiffe, die übrigens noch gar nicht fertig sind, einfach mit Granaten entzweischießen, oder man wird sie auf der Erde, wo sie nur kriechen können, gefangennehmen.«

»Das kann vielleicht mit der ersten Abteilung geschehen, die zu uns kommt; aber der Mars hat doppelt soviel Bewohner als die ganze Erde. Das zweite Luftschiff würde uns vernichten. Lieber Saltner, Sie haben vorgestern gehört, was Jo von der Raumschiffahrt erzählte. Durch ihre Repulsitschüsse erteilen die Martier einer Masse, die auf der Erde zehn Millionen Kilogramm wiegt, Geschwindigkeiten von 30, 40, ja bis 100 Kilometern. Wissen Sie, was das heißt? Leute, die das können, werden aus Entfernungen, wohin kein irdisches Geschütz trägt, ganz Berlin in wenigen Minuten in Trümmer legen, falls sie dies wollen. Die Europäer können dann einmal erleben, was sie sonst an den Wohnstätten armer Wilden getan haben. Freilich werden die Martier zu edel dazu sein. Sie hätten es wohl auch nicht nötig. Sie können die Schwerkraft aufheben. Was nützt uns die größte, tapferste, glänzend geführte Armee, wenn auf einmal Bataillone, Schwadronen und Batterien zwanzig, dreißig Meter in die Luft fliegen und dann wieder herunterfallen? Ich weiß, ich werde die Regierungen nicht überzeugen, aber die Pflicht habe ich, unsre Erfahrungen mitzuteilen. Schon die Freundschaft der Martier halte ich für gefährlich, ihre Feindschaft für verderblich. Kommen sie vor oder mit uns zu den Menschen, so werden sie dieselben so für sich einnehmen, daß unsere Warnung, unsere Beschreibung ihrer Macht zu spät kommt. Deshalb ist mir der Entschluß gereift, daß unsere Abreise so bald wie möglich vor sich geht. Ich werde sofort zur Instandsetzung des Ballons schreiten.«

»Es versteht sich von selbst, daß ich Ihnen dabei helfe.«

»Das nehme ich natürlich an. Aber es ist eine andere Frage, Saltner – es ist vielleicht richtiger, daß ich allein zurückgehe, während Sie die Studien auf dem Mars fortsetzen.«

»Das ist unmöglich, allein können Sie nicht –«

»Doch, ich kann sogar besser allein zurück. Der Ballon ist kaum noch für zwei Personen tragfähig. Fahre ich allein, so kann ich mich auf viel längere Zeit verproviantieren, ich gewinne dadurch an Wahrscheinlichkeit, bis in bewohnte Gegenden zu gelangen. Beobachtungen will ich jetzt natürlich nicht mehr machen, also genügt eine Person vollständig zur Leitung des Ballons. Und andererseits ist es vielleicht von größter Wichtigkeit zu erfahren, was die Martier inzwischen vorgenommen haben –«

»Nein, Grunthe, ich kann und will mich nicht von Ihnen trennen.«

»Ich sage Ihnen, es wird das beste sein. Überlegen Sie sich die Sache. Und nun an die Arbeit.«

Sie räumten unter ihrem Gepäck auf.

Die Klappe des Fernsprechers erklang. Saltner wurde in das Sprechzimmer gerufen.

»Sehen Sie zu«, rief ihm Grunthe nach, »daß Sie unsern Ballon herausbekommen. Wie ich bemerkt habe, hat man ihn unter Verschluß gebracht, was auch ganz vernünftig war. Lassen Sie ihn auf das Inseldach hinaufschaffen.«

Saltner hatte gestern mit La nicht mehr ungestört sprechen können. Es war den ganzen Abend über viel Besuch im gemeinsamen Zimmer gewesen, man erwartete eine Nachricht über die Landung des Staatsschiffes. Doch hatte man sich trennen müssen, ehe eine solche eingelaufen war. Daß Se nicht mehr zum Vorschein gekommen war, hatte Saltner kaum bemerkt. Der Gedanke an La erfüllte ihn ganz, und dennoch sagte er sich selbst, daß er in seinem Liebesglück nur einen Traum sehen dürfe, dem jeden Augenblick ein unerwartetes Erwachen folgen könne. Aber warum nicht träumen?

Diesen Feen gegenüber konnte er, der ›arme Bat‹, gewiß kein Unglück anrichten, sie würden ihn aufwachen lassen, wann sie wollten. Doch wie hätte er ihnen widerstehen können? Es war ihm wie eine Enttäuschung, daß er jetzt nicht La, sondern Se im Sprechzimmer vorfand. Sie begrüßte ihn mit derselben Liebenswürdigkeit und Vertraulichkeit wie gestern La, doch aber wieder anders, ihrem lebhafteren Wesen entsprechend. Und als er nach den ersten Minuten der Unterhaltung neben ihr saß, zog es ihn mit so unwiderstehlicher Macht zu ihr hin, daß er sein Gefühl gegen La gar nicht von dem gegen Se zu unterscheiden wußte. Nur einen neuen, eigentümlichen Reiz hatte es durch die Veränderung der Persönlichkeit gewonnen.

Wundersamerweise war es ihm nun gar nicht möglich, nach La zu fragen, und Se erwähnte ihrer mit keinem Wort. Aber er konnte es nicht unterlassen, ihr zu sagen, wie glücklich es ihn mache, neben ihr zu weilen, ihr ins Auge zu sehen und ihre Stimme hören zu dürfen.

Sie ließ ihn ausreden und antwortete dann mit einem hellen Lachen, das aber durchaus nichts Beleidigendes für ihn hatte.

»Das freut mich ja sehr«, sagte sie, »daß wir nun so gute Freunde geworden sind. Sie haben mir gleich von Anfang an gut gefallen. Es ist merkwürdig, ihr Menschen seid so ganz anders, und doch – oder vielleicht darum habt ihr etwas, wodurch man sich zu euch hingezogen fühlt.«

Saltner ergriff ihre Hand.

»Freilich kennt man euch auch noch zu wenig. Vielleicht verdient ihr gar nicht –«

»Ich hoffe, liebste Freundin, mich werden Sie immer bereit finden, ihnen zu dienen.«

»Daran zweifle ich gar nicht«, lachte Se, »man weiß nur nicht, ob Sie nicht einmal vergessen, daß wir Nume doch in vielem anders denken –«

»Es ist nicht schön, mich sogleich daran zu erinnern, daß ich armer Mensch es gewagt habe –«

»Sie verstehen mich nicht, Sal, wie könnt' ich mich überheben wollen? Nur – doch das führt zu nichts, jetzt auseinanderzusetzen, was erst erfahren sein will. Ich bin ja auch zu ganz anderem Zweck hierhergekommen. Obwohl aus wirklicher Freundschaft«, setzte sie hinzu.

Jetzt erst fiel es Saltner wieder aufs Herz, vor welch wichtiger Entscheidung er stünde. Er wurde sehr ernst. Er wußte nicht, was er zuerst sagen sollte.

Se kam ihm zuvor.

»Sie wissen, daß der ›Glo‹ angekommen ist?« fragte sie.

»Ist er schon gelandet?«

»Diese Nacht. Er bringt wichtige Nachrichten für Sie mit. Und deshalb bin ich hierhergekommen.«

»Sie wollen mir einen Rat geben, liebe Se? Und Sie werden uns Ihre Hilfe nicht versagen?«

»Soweit ich darf. Amtlich habe ich nichts erfahren, sonst wäre ich nicht hier. Aber was jedermann bei uns weiß, darf ich auch Ihnen sagen. Machen Sie sich darauf gefaßt, daß Sie mit uns nach dem Nu reisen.«

Saltner schwieg nachdenklich.

»Ich habe so etwas erwartet«, sagte er dann. »Ich bin in einer fatalen Lage.«

»Sie machen ein erschrecklich böses Gesicht«, sagte Se, indem sie ihm mit ihrer Hand freundlich über die Stirn strich. »Ich weiß ja schon, daß Sie sehr gern mit uns kämen und doch Ihren Freund nicht verlassen wollen. Aber er wird auch mit uns kommen.«

»Das wird er nicht«, platzte Saltner heraus. »Das heißt«, fuhr er fort, »wenn Sie uns mit Gewalt zwingen –«

»Zwingen? Wie meinen Sie das?«

»Nun, Sie sind die Stärkeren. Sie können uns einfach als Gefangene auf Ihr Schiff bringen.«

»Können? Ich weiß nicht, ich verstehe Sie nicht recht, liebster Freund. Man kann doch immer nur das, was nicht Unrecht ist. Ihre Sprache ist so unklar. Sehen Sie diesen Griff? Sie sagen, ich kann ihn drehen, und meinen, ich habe die physische Möglichkeit dazu. Wenn ich aber drehe, so versinkt der Sessel unter Ihnen, und so kann ich ihn nicht drehen, das heißt, ich kann es nicht wollen. Diese moralische Möglichkeit oder Unmöglichkeit können Sie auch nicht anders ausdrücken. Könnte es denn bei Ihnen vorkommen, daß Sie Menschen aus dem Wasser erretten und ihnen dann das Leben nehmen? Und die Freiheit, ist das nicht noch schlimmer?«

»Ich weiß nicht«, sagte Saltner, »wie man bei uns verfahren würde, wenn Europäer auf einer Insel in einem fremden Weltteil, wo noch keine zivilisierte Macht Fuß gefaßt hat, ein reiches Goldlager entdeckten und, um dasselbe zu sichern, eine Befestigung anlegten; wenn dann Kundschafter der Eingeborenen in diese Befestigung gerieten – ich weiß nicht, ob wir uns nicht das Recht zuschreiben würden, diese Wilden um unserer eigenen Sicherheit willen an der Rückkehr zu verhindern. Das scheint mir ungefähr die Lage zwischen Ihnen und uns. Vielleicht würden wir auch sagen, wir schicken diese Leute wieder zurück, damit sie uns als Boten und Vermittler dienen; aber erst führen wir sie nach Europa, damit sie unsere ganze Machtfülle kennenlernen und ihren heimatlichen Häuptlingen sagen, daß diese unsern Kanonen nicht würden widerstehen können; und wir entlassen sie erst, wenn unsre Befestigungen soweit fertig sind, daß wir von dort aus die ganze Insel beherrschen und wir Herren der Lage sind.«

Se nickte ernsthaft. »Sie erkennen die Sachlage ganz richtig«, sagte sie. »Ich glaube, daß wir unser Verhältnis zu Ihnen in der Tat so auffassen, nur mit dem Unterschied, daß wir diese Kundschafter nicht gegen ihren Willen festhalten können.«

»Dann ist doch die Sache sehr einfach – wir reisen eben ab.«

»Nein, nein – so einfach ist das nicht. Ich weiß nur nicht, wie ich es Ihnen klarmachen soll. Sie verstehen unter ›Willen‹ allerlei Gemütskräfte, die bloß individuelle Triebe sind; diese können wir bezwingen, gegen diesen Willen können wir Sie festhalten. Zum Beispiel, ich binde Ihnen mit diesem Schleier wieder die Hände. Nun wollen Sie fort, weil Sie gern etwas Interessanteres tun möchten, als hier zu sitzen. Daran kann ich Sie verhindern.«

»Dazu brauchten Sie mich gar nicht zu binden.«

»Oder es entstände draußen ein Lärm, Sie erschrecken plötzlich, Ihre Sinne verwirren sich, und Sie wollen deshalb fort – daran hindert Sie dieser Knoten. Nun, wenn Sie in dieser Weise fort wollen, nur weil es Ihnen lieber ist, heimzukehren als auf den Mars zu gehen, dann wird man Sie hindern. Wenn aber nicht Ihr individueller Wille, sondern Ihr sittlicher Wille im Spiel ist, Ihre freie Selbstbestimmung als Persönlichkeit, oder wie Sie das nennen, was wir als Numenheit bezeichnen – dann gibt es keine Macht, die Sie hindern kann.

Sehen Sie, liebster Freund«, fuhr sie fort und löste den Knoten, den sie im Spiel geschlungen, »das wollte ich Ihnen sagen. Ihr Wille ist nichts gegen den unsern, nur das Motiv des Willens gilt. Gibt es eine gemeinsame Bestimmung der sittlichen Würde zwischen Numen und Menschen, so werden Sie Freiheit haben; gibt es für Menschen nur Motive der Lust, so werden Sie uns nie widerstehen. Ich weiß ja nicht, wie Ihr Bate im Grunde seid. Und noch dies. Glauben Sie niemals, Sal, daß ich an Ihrer Neigung zweifle, aber vergessen Sie nicht, daß ich eine Nume bin; Liebe darf niemals unfrei machen. Und daran denken Sie!«

»Ich will«, sagte Saltner. »Aber sehen Sie, das eben ist für uns Menschen das Schwere und dem einzelnen oft unmöglich, diese Trennung zu vollziehen, die Ihnen selbstverständlich ist. Unser Denken vermag nicht immer Neigung und Pflicht auseinanderzuhalten, oft erscheint die eine im Gewand der andern. Was darf ich um Ihretwillen tun, was bin ich Ihnen schuldig und was darf ich nicht mehr tun? Sie Glücklichen haben gelernt, wie Götter ins eigene Herz zu schauen, wir armen Menschen aber wenden uns in solchen Fällen an unser Gefühl. Wir nennen es zwar Gewissen, sittliches Gefühl, weil es das umfaßt, was uns allen als Menschen gemeinsam sein soll. Aber als Gefühl bleibt es doch immer so eng verwachsen mit dem Einzelgefühl, daß wir nur zu leicht für Pflicht halten, was im Grunde Neigung ist; und wenn nicht unsre Neigung, vielleicht die Neigung, die Gewohnheit unsres Stammes, unsrer Zeitgenossen. Und wir tun aus bester Absicht das Unrechte. Auch der Indianer folgt seinem Gewissen, wenn er den Feind skalpiert. Wir irren, weil wir blind sind.«

»Sie mischen schon wieder einen anderen Irrtum dazwischen, Sal. Nicht darauf kommt es an, ob wir das Richtige treffen, sondern darauf, ob wir aus den richtigen Motiven wollen. Wer das kann, besitzt Numenheit. Wenn der Indianer den Feind skalpiert, so wird er von der höheren Gesittung eines Besseren belehrt oder vernichtet. Aber dies trifft nur seinen Irrtum, nämlich die Folgen, die daraus in der Welt entstehen. Doch die Heiligkeit seines Willens bleibt unberührt, wenn er lieber zugrunde geht, als das aufgibt, was er für sittliche Pflicht hält. Sie brauchen also nicht darum zu sorgen, ob Sie bei Ihrer Entscheidung das Richtige treffen in dem, was Sie tun, sondern nur, ob Ihr Motiv rein ist in dem, was Sie wollen.«

»Das meinte ich ja; eben auch darin können wir uns täuschen. Se, ich muß Ihnen gegenüber ganz offen sein. Wir wollen, daß unsere Mitmenschen von dem Besuch der Martier nicht überrascht werden; diese Überraschung zu verhüten, halten wir für unsere Pflicht. Wir irren vielleicht darin, daß wir den Menschen damit zu nützen glauben; aber unser Motiv ist rein. Meinen Sie es nicht auch so?«

»Ganz richtig.«

»Aber damit ist es nicht entschieden, wie ich zu handeln habe. Und hier spielt unsere theoretische Unwissenheit in die ethische Frage hinein. Wenn nun zum Beispiel einer von uns allein den Erfolg leichter erreichte, hätten wir nicht die Pflicht uns zu trennen? Und wenn nicht, ist es nicht Pflicht, daß wir zusammenhalten auf alle Fälle? Wie also soll ich hier entscheiden, was meine Pflicht erfordert?«

»Aber Sal! Ich hatte mich schon gefreut, daß Sie auch so vernünftig reden können, und nun urteilen Sie wieder wie ein Wilder!«

»Sie sind grausam, Se!«

»Was reden Sie denn da von Pflicht? Das ist doch einzig eine Frage der Klugheit. Was Ihre Klugheit erfordert, das können Sie fragen. Die Pflichtfrage ist schon längst mit dem Willen entschieden, nur das Klügste hier zu tun. Die dürfen Sie gar nicht mehr in Betracht ziehen.«

»Wenn ich mit Ihnen nach dem Mars ginge und mein Freund allein nach Europa, und er verunglückte unterwegs, würde ich mir nicht immer Vorwürfe machen, daß ich nicht mit ihm gegangen bin? Würde man mich nicht pflichtvergessen nennen?«

»Was die Menschen tun würden, weiß ich nicht und geht mich auch nichts an. Sie aber können sich höchstens den Vorwurf machen, unklug gehandelt zu haben.«

»Also meinen Sie, ich müßte ihn begleiten?«

»Das habe ich nicht gesagt. Ich habe nur unter Ihrer Voraussetzung gesprochen, daß er mit Ihnen sicherer reise. Das ist aber doch erst zu untersuchen.«

»Was raten Sie mir?«

»Zunächst die Entscheidung der Martier abzuwarten. Sie wissen ja noch gar nicht, ob Ihnen die Mittel zur Abreise gewährt werden können. Erst wenn Sie diese Mittel kennen, vermögen Sie zu entscheiden, ob Ihre Begleitung entbehrlich ist. Und wenn sie entbehrlich ist, so würde ich mich sehr freuen, Sie mit zu uns zu nehmen.«

»Ich rechne auf Ihre Hilfe. Lassen sie unsern Ballon auf das innere Inseldach schaffen!«

»Das geht nicht, bevor Sie die Erlaubnis der Regierung haben –«

»Und die Ihrige würde ich erhalten? Ich meine, Sie würden mich nicht für unwürdig Ihrer Freundschaft halten, wenn ich Ihrem Wunsch nicht entspräche, nach dem Mars –«

»Was habe ich Ihnen gesagt, Saltner? Das wäre keine Liebe, die unfrei machte.«

»Se, wie glücklich machen Sie mich!« Saltner ergriff zärtlich ihre Hände.

»Jetzt sind Sie wieder der alte Saltner! Kaum ist die Angst von ihm genommen, ich könnte ihm böse werden, wenn er etwas Vernünftiges tut, so ist er wieder seelenvergnügt. Und ich habe wirklich geglaubt, Sie wären so ernsthaft, weil es sich um Ihre Pflicht handelt –«

»Das ist nicht Ihr Ernst, Se, Sie kennen mich besser!«

»Gar nicht kennt man euch Menschen! Wozu denn überhaupt erst traurig? Was wollen Sie übrigens über dem Strich?«

»Sehen Sie, Se, Sie sind auch nicht vollkommen – ich meine, nicht so absolut vollkommen –«

»Ich begreife!«

»Sie haben gar nicht gemerkt, daß ich schon eine Viertelstunde lang neben Ihnen sitze – ich habe gestern das Balancieren gründlich gelernt.«

»Ach, gestern! Bei La?«

»Ja, sagen Sie, was ist das? Wo ist sie heute? Wo waren Sie gestern? Was ist das mit dem Spiel, von dem Sie sprachen? Ich bitte Sie, Se –«

Aber seine weiteren Fragen wurden abgeschnitten. Ra, der Leiter der Station, trat in das Zimmer. Er hatte eine amtliche Mitteilung zu machen. Der Regierungskommissar, welcher mit dem ›Glo‹ angekommen war, ließ Grunthe und Saltner zu einer offiziellen Konferenz bitten, um drei Uhr. Er würde sich vorher beehren, den Herrn seine private Aufwartung zu machen.

Saltner erklärte sich natürlich bereit. Er werde sofort seinen Freund benachrichtigen. Schnell verabschiedete er sich von Ra und Se.

»Ein ganz ehrliches Spiel!« flüsterte Se ihm zu, als sie ihm die Hand zum Abschied reichte. »Und nun Kopf oben! Einschüchtern brauchen Sie sich nicht zu lassen!«

Eilig teilte Saltner das Wesentlichste aus seiner Unterredung mit Se Grunthe mit und benachrichtigte ihn von dem bevorstehenden Besuch.

Kaum hatte Grunthe Zeit gefunden, seine Toilette einigermaßen in Ordnung zu bringen, als auch die Deutschen schon gebeten wurden, sich im Empfangszimmer einzufinden. Fast gleichzeitig mit ihnen trat der Kommissar, von Ra geleitet, ein.

Seine Persönlichkeit machte auf Grunthe und Saltner einen tiefen Eindruck. Er war größer als alle Martier, die sie bisher gesehen hatten, und überragte sogar um ein weniges noch die lange Gestalt Grunthes. Ein stattlicher weißer Bart gab ihm ein ehrwürdiges Aussehen. Seiner Haltung und seinem Blick war zu entnehmen, daß man es mit einem vornehmen Mann zu tun hatte, der gewohnt war, sowohl zu repräsentieren als zu dirigieren. Aber aus seinen großen dunklen Augen sprach ein Vertrauen erweckendes Wohlwollen, man war überzeugt, daß dieser Mann bei seinen Anordnungen niemals an sich selbst dachte, sondern nur an das Wohl derer, die er zu vertreten hatte.

Ill, dies war sein Name, zeigte sich bis in alle Einzelheiten über die bisherigen Vorgänge auf der Insel unterrichtet. Er bat um Entschuldigung, daß er sich seiner Muttersprache bedienen müsse und erkundigte sich in der liebenswürdigsten Weise nach dem persönlichen Wohlergehen der Gäste. Insbesondere sprach er in warmen Worten sein Bedauern über das Verschwinden des Leiters der Expedition aus. Es schien ihm unbegreiflich, daß man keine weiteren Spuren von Torm gefunden habe, und er meinte, daß das Binnenmeer und womöglich seine Umgebung noch einmal genauer durchsucht werden müsse. Er kam dann auf die Methode zu sprechen, wie sich die Deutschen das Martische angeeignet hätten, und nun flocht er einige sehr interessierte Fragen nach Ell ein, wie alt er sei, woher er stamme, wie Grunthe ihn kennengelernt habe, wo er jetzt lebe.

Grunthe antwortete ausführlich, soweit er vermochte. Ell mochte etwa gleichaltrig mit ihm sein, einige dreißig Jahre. Er sei in Südaustralien geboren, wo Ells Vater große Besitzungen gehabt habe. Seine Mutter sei eine in Australien eingewanderte Deutsche gewesen. Nach dem Tod der Eltern habe sich Ell nach Deutschland begeben, um seine Studien, die sich hauptsächlich auf Astronomie und technische Fächer bezogen, fortzusetzen. Damals, vor etwa zehn Jahren, habe ihn Grunthe in Berlin kennengelernt und viel mit ihm verkehrt, obwohl Ell stets ein fremdartiges und zurückhaltendes Wesen eigen war. Kurze Zeit darauf war Ell plötzlich verschwunden, man hörte nichts von ihm und nahm an, er sei in seine australische Heimat zurückgekehrt. So verhielt es sich auch. Seit etwa vier Jahren war Ell wieder in Deutschland erschienen. Er hatte sein jedenfalls bedeutendes Vermögen flüssig gemacht und sich in Mitteldeutschland eine Privatsternwarte erbaut, auf der er sich mit Vorliebe Marsbeobachtungen widmete. Hier hatte Grunthe eine Zeitlang bei ihm gearbeitet und bei dieser Gelegenheit Torm kennengelernt. Ell war es gewesen, der durch eine großartige Geldspende die Errichtung der Abteilung für wissenschaftliche Luftschiffahrt ermöglicht und Torm an ihre Spitze gezogen hatte. Der Sitz derselben war Friedau, eine mitteldeutsche Residenz, die durch ihre wissenschaftlichen Institute berühmt ist.

Nachdem sich Ill noch die Lage von Friedau und die der Privatsternwarte Ells genau hatte beschreiben lassen, brach er das Gespräch ab. irgendwelche Fragen nach den bevorstehenden Ereignissen wurden nicht berührt, und Ill verabschiedete sich bald mit dem Wunsch, daß die Verhandlungen, zu denen er die Herren erwartete, zur beiderseitigen Befriedigung verlaufen möchten.

Nach dem Fortgang der Martier zogen sich Grunthe und Saltner in ihre Zimmer zurück und besprachen noch einmal die Sachlage; Grunthe brachte ihre Ansichten zu Papier. Beide aber sahen jetzt der Verhandlung mit besserer Zuversicht entgegen.

18 Kapitel

Die Botschaft der Marsstaaten

Punkt drei Uhr öffnete sich die Tür, die das Zimmer der Gäste mit dem Konferenzsaal verband, und der Vorsteher Ra lud Grunthe und Saltner mit einer höflichen Handbewegung zum Eintreten ein. Sie stutzten beim ersten Anblick des Saales, denn derselbe erschien vollständig verändert. Um Platz zu gewinnen, hatte man die Grenze der Schwere bis dicht an die Tür gerückt, durch welche die Menschen den Saal betraten, und die Tafel in der Mitte entsprechend verlängert, so daß nur die beiden Plätze am untern Ende des Tisches, die sich aber jetzt nahe der Tür befanden, noch innerhalb des Gebietes der Erdschwere lagen. Der ganze übrige Teil des Raumes war von festlich gekleideten Martiern erfüllt, die sich beim Eintritt der Gäste erhoben. Nachdem Ra an seinen Sessel am oberen Ende der Tafel neben dem Präsidenten Ill gelangt war, gab dieser ein Zeichen mit der Hand, und alle nahmen wieder schweigend Platz. Grunthe und Saltner folgten ihrem Beispiel.

Durch die geöffneten Fernsprechklappen des Saales ertönte eine leise Musik, wie sie die Menschen noch nie vernommen hatten. Sie bewirkte eine feierliche, aber zugleich freudig erhebende Stimmung. Es herrschte vollständige Ruhe, während deren Grunthe und Saltner die Versammlung erwartungsvoll musterten.

Das Tageslicht war durch dichte Vorhänge abgeschlossen. Die sehr helle, aber für menschliche Augen zu stark ins Bläuliche schimmernde Beleuchtung ging von der Decke aus, deren Arabesken in fluoreszierendem Schein glühten. Am Ende des Zimmers war das große Banner des Mars in selbstleuchtenden Farben entfaltet. Es zeigte auf schwarzem Grund den Planeten als eine weiße Scheibe, die in der Mitte einen Kranz trug; bei näherer Betrachtung konnte man darin die Symbole der 154 Staaten des Mars unterscheiden. Vor dem Banner, an der Spitze der Tafel saß zwischen den beiden ersten Beamten Ra und Fru der Kommissar der Marsstaaten Ill, an den Seiten reihten sich die Vorsteher der einzelnen Abteilungen der Station an. Seitlich von der Haupttafel, in der Mitte des Zimmers, war ein phonographischer Apparat aufgestellt, der von einer Dame bedient wurde. Auf der andern Seite saßen La und eine zweite Martierin vor ihren Schreibmaschinen als Schriftführerinnen. Der übrige Raum des Zimmers war dicht von Martiern und Martierinnen erfüllt, die der öffentlichen Verhandlung beiwohnen wollten. Auch Se befand sich unter ihnen und hatte sich in der Nähe Saltners niedergelassen, der ihr einen dankbaren Blick zuwarf. Das Lächeln, mit welchem Saltner anfänglich die Versammlung überflog, verschwand bald unter dem Eindruck der Musik und der Haltung der schweigenden Martier. Alle trugen heute über ihrer anschließenden metallisch glänzenden Rüstung einen leichten, in malerischen Falten geworfenen Mantel. Ihre Blicke waren ruhig und ernst, aber erfüllt von einem freudigen Stolz; sie fühlten sich als die freien Mitglieder ihrer großen und mächtigen Gemeinschaft, die sie zum ersten Mal den Menschen in ihrem festlichen Glanz zeigten. Sie wußten, daß sie heute nicht nur als Wirte ihren Gästen, sondern als Vertreter der Numenheit den Männern gegenüberstanden, die für sie die Vertreter der Menschheit waren. Und dieses Bewußtsein, das den ganzen Charakter der Versammlung beherrschte, wirkte sehr bald auf Grunthe und Saltner zurück; sie fühlten, wie sie der übermächtigen Gegenwart der Martier in ihrem Willen zu erliegen drohten. Grunthe preßte die Lippen zusammen und starrte auf sein Notizbuch, das er krampfhaft in der Hand hielt, um sich dem Einfluß zu entziehen, den das Äußerliche der Versammlung auf ihn machte.

Nur wenige Minuten hatte die musikalische Einleitung gedauert. Jetzt erhob sich Ill. Absolute Stille herrschte im Saal, als er seine großen, strahlenden Augen auf die Versammlung richtete und dann wie in weite Ferne blickte. Darauf sprach er klangvoll die einfachen Worte:

»Den wir im Herzen tragen, Herr des Gesetzes, gib uns deine Freiheit.«

Wieder erfolgte eine Pause, in welcher jeder mit sich selbst beschäftigt war.

Jetzt ließ sich Ill auf seinem Stuhl nieder und begann:

»Gesandt bin ich, Grüße zu bringen den Numen von der Heimat, Grüße vom Nu und seinem Bund!«

»Sila Nu!« hallte der gedämpfte Gegengruß der Martier durch den Saal.

»Grüße vom Nu auch den Bewohnern der leuchtenden Ba, des benachbarten Planeten, den Menschen, die wir zum ersten Mal heute in der Festversammlung zu sehen uns freuen. Eine alte Sehnsucht zog uns Nume durch den Weltraum hinüber zum lichten Abendstern, und es gelang uns Fuß zu fassen auf der Erde. Aber noch immer war es uns versagt, diejenigen kennenzulernen, die diesen mächtigen Planeten beherrschen als vernünftige Wesen. Da kam zu uns vor wenigen Wochen die erste frohe Kunde, daß zwei willkommene Gäste unserer Station am Pol genaht, daß die ersten zivilisierten Bewohner der Erde entdeckt seien. Ausführliche Lichtdepeschen meldeten uns bald, was wir bisher wohl vermutet, aber doch aus direkter Anschauung nicht gekannt hatten, daß unser Nachbarstern bewohnt ist von hochgebildeten Völkern, mit denen wir uns verständigen können in den Aufgaben der Kultur. Eine unbeschreibliche Aufregung ging auf diese Nachricht durch die verbündeten Staaten des Mars. Die öffentliche Meinung drang darauf, keine Zeit zu verlieren, unsern Brüdern auf der Erde die Hand zu reichen. Und da der Winter auf diesem Nordpol bevorsteht, der unsre Verbindung unterbricht, so beschloß der Zentralrat des Nu, ohne die Ankunft der Raumschiffe abzuwarten, sich in direkten Verkehr mit den Bürgern der Erde zu setzen. Wir schätzen es von unermeßlicher Wichtigkeit für die beiden Planeten, welche allein im ganzen Sonnensystem in der Art und der Kultur ihrer Bewohner sich berühren, daß diese in gemeinsamem Einverständnis ihre Interessen fördern. Das erste Zusammentreffen mit den hier anwesenden Vertretern der Menschheit halten wir daher für einen Akt von höchster kulturgeschichtlicher Bedeutung. Wir sehen darin den ersten Schritt zum unmittelbaren Verkehr mit den Regierungen der Erde, von denen uns gegenwärtig noch technische Schwierigkeiten trennen, die wir indessen bald zu überwinden hoffen. In gerechter Würdigung der Wichtigkeit dieser ersten Begegnung und um bei dieser Gelegenheit zugleich zu zeigen, welch hohen Wert die Marsstaaten auf die freundschaftlichen Beziehungen mit den Staaten der Erde legen, endlich um von seiten der Nume in feierlicher Handlung die ganze Menschheit bei der ersten Begrüßung zu ehren, hat der Zentralrat beschlossen, eines seiner Mitglieder in eigener Person auf die Erde zu senden.«

Eine allgemeine Bewegung gab sich bei diesen Worten unter den Zuhörern zu erkennen. Man sah sich erwartungsvoll an, leise Fragen flogen herüber und hinüber. Grunthe warf Saltner einen Blick zu, und dieser flüsterte: »Sie behalten recht.« Er blickte nach Se hinüber, aber ihre Augen waren auf Ill gerichtet. Dieser erhob langsam und feierlich die rechte Hand und sprach:

»Kraft des Amtes, das der Wille der Nume mir übertragen hat, enthülle ich das heilige Symbol der Numenheit als das Zeichen des Gesetzes in Vernunft und Arbeit, dem wir gehorchen.«

Die Martier erhoben ihre Augen in andächtigem Aufblick nach einem Punkt, den Ills Hand ihnen zu weisen schien. Vergebens strengten Grunthe und Saltner sich an, das zu erblicken, was alle andern ehrfurchtsvoll erschauten. Sie vermochten nichts wahrzunehmen, wo die Wissenden in würdevollem Schweigen einer geheimnisvollen Erscheinung huldigten, die ihnen den Gedanken ihres Weltbürgertums repräsentierte.

Der Schauer des Unbegreiflichen erfaßte das Gemüt der Menschen. Grunthe starrte auf die ehrwürdige Gestalt, und wieder kam die Erinnerung an Ell über ihn. Saltner fühlte sich von dem Eindruck der ganzen Szene wie berauscht, er merkte, daß er die Gewalt über seine Entschlüsse verlieren würde, und richtete einen hilfesuchenden Blick auf Se.

Da ließ Ill seine Hand sinken, und die Martier begannen wieder sich zu bewegen. Nach kurzer Pause hob Ill ein Schriftstück in die Höhe und begann:

»Vernehmen Sie, Nume und Menschen, den Beschluß des Zentralrats.«

Jetzt blitzte Ses Auge zu Saltner hinüber. Instinktiv verstand er die Mahnung. Er stieß Grunthe an und flüsterte: »Reden Sie, ehe er liest!«

Aber auch dieser hatte schon begriffen, daß er sofort handeln müsse, und war bereits aufgesprungen. Alles dies vollzog sich momentan in der kurzen Pause, während deren Ill das Schriftstück entfaltete, und ehe er zu lesen begann, rief Grunthe: »Ich bitte ums Wort!«

Er hatte in der Erregung deutsch gesprochen. Seine laute Stimme tönte grell über den Saal, im Gegensatz zu dem auch in der feierlichen Rede halblauten Organ der Martier. Die ganze Versammlung wandte sich unwillig nach Grunthe um, und Ill warf einen erstaunten Blick auf ihn.

»Ich bitte ums Wort«, wiederholte Grunthe jetzt in der Sprache der Martier. »Ich bitte um Verzeihung, wenn ich Sie ersuche, mich vor der Verlesung des Beschlusses eines hohen Zentralrats der Marsstaaten zu hören, und ich bitte im voraus um Verzeihung, wenn ich aus Unkenntnis der Sprache mich vielleicht nicht völlig angemessen auszudrücken vermag.«

Ill nickte langsam mit dem Haupt. »Es liegt kein Grund vor«, sagte er, »unsern Gästen das Wort zu verweigern, wenn ich auch Ihre Antwort erst nach der Verlesung erwartet habe.«

»Ich aber und mein Freund«, fiel Grunthe schnell ein, »wir beantragen, die Verlesung zu unterlassen; wir protestieren gegen die Verlesung; wir fühlen uns nicht als kompetent, Beschlüsse des Zentralrats der Marsstaaten entgegenzunehmen.«

Auf den Gesichtern der Martier malte sich deutlich das Erstaunen über diese unerwartete Erklärung. Es herrschte ein bedeutsames Schweigen. Keinerlei Urteil machte sich geltend. Die Mißbilligung des kühnen Eingriffs, welchen ein armseliger Bat sich gegen die Beschlüsse der höchsten Behörde des Mars erlaubte, stritt bei den Martiern mit der Achtung vor der Entschiedenheit dieses offenen Bekenntnisses, doch überwog bei den meisten ein Gefühl des Mitleids. Diese armen Menschen wußten offenbar nicht, was sie sich erlaubten; man konnte sie wohl nicht ernst nehmen. Nur die nächsten Freunde der Deutschen ermutigten sie durch ihre beipflichtenden Blicke.

Ill richtete sein ruhiges Auge auf Grunthe und Saltner, der sich ebenfalls erhoben hatte, und fragte:

»Wollen die Menschen ihren Protest begründen?«

»Ich will es«, sagte Grunthe sofort. »Ich fühle tief die große Ehre, welche die Vertreter des Mars durch ihr freundliches Entgegenkommen den Bewohnern der Erde erweisen. Auch ich bin überzeugt, daß die Berührung der Bewohner dieser beiden großen Kulturplaneten ein weltgeschichtliches Ereignis ersten Ranges sein wird. Und mein Freund und ich sind allen Numen, denen wir bisher zu begegnen das Glück hatten, den herzlichsten Dank schuldig für die Rettung vom Untergang und für die gastfreundliche Aufnahme in ihrer Kolonie. Wir werden das nie vergessen.«

»Niemals«, sagte hier Saltner dazwischen.

Bei diesen warm gesprochenen Worten wurden die Blicke der Martier freundlicher. Grunthe fuhr sogleich fort:

»Als Menschen sprechen wir auch unsern ehrerbietigen Dank der Regierung der Vereinigten Staaten des Mars aus für die Beachtung, welche sie den Mitgliedern der Tormschen Polarexpedition zuteil werden läßt, indem sie durch ihren Repräsentanten in eigener Person uns eine Botschaft entbieten will. Aber diese Ehre müssen wir ablehnen.

Wir sind nicht Vertreter irgendeiner Regierung. Wir haben kein Recht, diplomatische Erklärungen entgegenzunehmen oder abzugeben. Wir sind einfache Privatleute, die in ihrer Heimat keine andere Geltung haben, als ihr Ruf als Gelehrter ihnen verschafft, und diese ist nach den Sitten unsrer Heimat in politischer Hinsicht verschwindend. Und selbst wenn wir uns als Boten betrachten wollten, die ihrer Regierung eine Mitteilung zu überbringen hätten, so habe ich zu betonen, daß, wie dem Herrn Repräsentanten bekannt sein wird, außer dem Deutschen Reich noch fünf andre europäische Großmächte, außerdem die Vereinigten Staaten von Nordamerika die politische Macht über die Erde in Händen haben, daß wir demnach nicht in der Lage sind, für die Staaten der Erde Aufträge zu übernehmen.«

Hierauf sprach Ill, da Grunthe eine kleine Pause machte, mit unveränderter Höflichkeit, aber sehr überlegen:

»Die Worte unseres werten Gastes sagen uns nichts Neues. Sie haben keinen Einfluß auf die mitzuteilende Botschaft, und es wäre daher einfacher gewesen, dieselbe erst anzuhören, da sie sich allein auf die beiden hier anwesenden Personen unserer Gäste bezieht.«

Grunthe biß die Lippen aufeinander. Er ärgerte sich über die Zurechtweisung, zumal er auf den Gesichtern der Martier wieder das mitleidige Lächeln erscheinen sah. Er rief daher etwas erregter:

»Wir müssen es aber auch für unsre Personen ablehnen, irgendwelche Bestimmungen seitens der Regierung des Mars entgegenzunehmen, und zwar aus formellen Gründen. Wir dürfen es prinzipiell nicht geschehen lassen, daß die Regierung des Mars hier irgendwelche offizielle Anordnungen treffe über die Bürger eines Staates der Erde. Über unser Tun und Lassen kann nur diejenige Regierung Verordnungen geben, auf deren Gebiet wir uns befinden. Wir stehen aber hier auf der Erde, nicht auf dem Mars. Und wenn Sie hier die Flagge der Marsstaaten entfaltet haben, so können wir derselben doch nur eine dekorative, aber keine staatsrechtliche Bedeutung zusprechen. Mit welchem Recht Sie hier eine Niederlassung begründet haben, darüber mögen die Regierungen der Erde bestimmen, es ist nicht unseres Amtes; aber unseres Amtes ist es, dagegen zu protestieren, daß auf Grund dieser noch nicht anerkannten Niederlassung Rechte über uns ausgeübt werden.«

»Kann mir der Herr Redner vielleicht sagen«, fiel Ill ein, »auf dem Gebiet welches Erdenstaates wir uns seiner Ansicht nach hier befinden?«

Das war eine heikle Frage. War der Nordpol schon von einer zivilisierten Macht in Besitz genommen? Grunthe wich der Frage aus, er sagte schnell:

»Jedenfalls nicht im Gebiet der Marsstaaten. Auf der Erde gibt es bis jetzt keine völkerrechtlich anerkannte Ansiedlung der Martier.«

Die Blicke der Martier waren drohend geworden. Ill richtete sich hoch auf und sprach mit leuchtenden Augen und erhobener Stimme:

»Meines Wissens gibt es keine Organisation der Staaten der Erde, mit welcher wir über den Besitz des Nordpols verhandeln könnten, oder wenigstens war eine solche Verhandlung bisher nicht möglich. Wir sind an dieser Stelle des Sonnensystems die ersten Ankömmlinge gewesen, wir also bestimmen über dieselbe. Es gibt kein interplanetarisches Recht, wonach die Besitzergreifung von Gebieten sich auf einen einzelnen Planeten beschränken müsse. Die Nume sind die einzigen Wesen, welche zwischen den Planeten verkehren; sie schaffen damit das Recht dieses Verkehrs. Kraft dieses Rechtes hat die Regierung der Marsstaaten Besitz von diesem Teil der Erde ergriffen. Kraft dessen gilt hier das Gesetz des Mars. Und kraft dieses Gesetzes und des Beschlusses des Zentralrats vom 603.  Tag des Jahres 311 770 werde ich hiermit den Beschluß vom gleichen Tag verkünden.«

Grunthe fühlte, wie ihm das Herz pochte. Er vermochte nichts zu erwidern. Die Menschen waren geschlagen, ihr erster Versuch der Opposition gegen die Übermacht der Martier war gescheitert. Sie mußten die Befehle der Regierung des Mars anhören, auf ihrem eigenen Planeten, an der Stelle, welche sie zuerst von den Menschen erreicht hatten. Und das Schlimmste war, daß beide, Grunthe wie Saltner, ihre Widerstandskraft erlahmen fühlten. Gegen diesen Willen, der aus den großen Augensternen des Repräsentanten leuchtete, der sich in den Blicken der ganzen Versammlung widerspiegelte, vermochten sie nicht aufzukommen.

Und schon begann Ill, die kurzen Worte vorzulesen, welche über ihr Schicksal bestimmen sollten. Er las:

»Der Zentralrat des Nu, im Namen der Vereinigten Staaten des Mars, hat beschlossen, wie folgt: Die beiden an der Station des Mars auf dem Nordpol der Erde angelangten Menschen, namens Grunthe und Saltner, stehen unter dem Schutz der Marsstaaten. Die Freiheit ihrer Person, ihres Verkehrs und Eigentums wird ihnen gewährleistet im gesamten Gebiet des Mars. Sie werden eingeladen, innerhalb sechs Tagen nach Verlesung dieser Botschaft auf einem der Raumschiffe der Erdstation sich nach dem Mars zu begeben. Sie sind Gäste der Marsstaaten, denen jede Förderung zuteil werden soll, Einrichtungen und Gesinnungen der Nume zu studieren. Sie werden ersucht, im Frühjahr der Nordhalbkugel der Erde nach derselben zurückzukehren, um alsdann eine nach den Hauptstädten der Erde aufbrechende Expedition zu begleiten. Der Repräsentant Ill wird mit der Überbringung dieser Botschaft nach der Erde beauftragt.

Gezeichnet Del. Em. An.«

 

Die Martier ließen sich auf ihren Sitzen nieder, auch Grunthe und Saltner sanken in ihre Sessel.

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